Zum Tod von Peter Härtling

10. Juli 2017

Er war ein stiller Mensch,  aber er konnte auch laut werden, wenn er Ungerechtigkeit erlebte. Peter Härtling, selbst ein Flüchtlingsjunge,  hat sich mit dem Roman „Djadi, Flüchtlingsjunge“ verabschiedet. Es war sein letztes Buch, ein literarischer Nachlass.  Jetzt ist der 1933 in Chemnitz geborene Härtling, der im mährischen Olmütz aufwuchs und mit der Mutter nach Nürtingen kam, tot.  Doch seine Bücher leben weiter und erzählen vom Schicksal der Geflüchteten aller Nationen.  Härtling, der die Vergewaltigung der Mutter erlebt und ihren Selbstmord überlebt hat, konnte sich einfühlen in die Flüchtlinge von heute, in das Leid der Kinder.  Und er mischte sich ein, war aktiv in der Friedensbewegung und engagierte sich im Umweltschutz.  Die Bilder vom aktuellen Flüchtlingselend entsetzten ihn.  Hier meine Besprechung seines letzten Buches:

Angepasst an die neue Heimat – und dann?

Der zehnjährige Flüchtlingsjunge Djadi kommt mutterseelenallein nach Deutschland und wird von einer Alten-WG aufgenommen. Vor allem den Mann, der ihn „gefunden“ hat, und seine Frau werden zu Djadis Ersatzeltern. Aber auch die anderen kümmern sich um den eltern- und heimatlosen Jungen. Nur das Jugendamt macht erst einmal Schwierigkeiten wegen der eher ungewöhnlichen Lebensverhältnisse. Aber allmählich findet sich Djadi zurecht, passt sich an. Anders geht es ja nicht in unserem Land trotz aller Willkommenskultur. Peter Härtling erzählt die Geschichte von „Djadi, Flüchtlingsjunge“ mit so einfachen Worten und auf so verständliche Weise, dass sie auch schon für kleinere Kinder geeignet ist. Er klammert nichts aus, nicht die Schwierigkeiten Djadis mit den Mitschülern, nicht die Verlustängste und Traumata, nicht die schrecklichen Erlebnisse des Jungen auf dem Meer, wo seine Eltern und Geschwister ums Leben kamen. Aber Peter Härtling entgeht der Versuchung, die Gewalt zu thematisieren. Was er beschreibt, ist die Sehnsucht des Jungen nach Heimat, sein unbedingter Wille angenommen zu werden, kein Außenseiter zu sein. Was durchscheint in diesem Buch ist aber auch, wie schwierig es für Djadi ist, mit unserem Leben zurecht zu kommen, all das zu verstehen, was für ihn so fremd ist. Auch für die WG ist das Leben mit dem Flüchtlingsjungen eine Gratwanderung, eine Lektion in Sachen Integration. (Peter Härtling: Djadi, Flüchtlingsjunge Beltz & Gelberg, 116 Seiten, 12,95 Euro – ab 8 Jahre)

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert