„Die Zeiten, in denen Frauen nur als Musen herhalten mussten, sind vorbei. Wir sind jetzt die Künstlerinnen“, sagt Bell-Collective-Gründerin Alina Rudya selbstbewusst. Unter dem Namen der Reise-Pionierin Gertrude Bell versammelt das Kollektiv 14 professionelle Fotografinnen, „die alle ihr eigenes Ding machen“. In dem großformatigen Bildband Bell Collective findet sich vor allem Reisefotografie aus den unterschiedlichsten Perspektiven, immer aber aus weiblicher Sicht.
Fotos, die Geschichten erzählen
Alina etwa will, dass ihre Fotos eine Geschichte erzählen. „Poetic storytelling“ nennt sie das, was sie etwa mit Fotos der im Sand versinkenden namibischen Stadt Kolmanskop zeigt. Als „Inspiratorin“ begreift sich die Schweizerin Martina Bisau, die Berge und Wüsten liebt und gern in ihrem Bulli unterwegs ist. Menschen haben es es der Engländerin Annpurna Mellor angetan, bevorzugt in Indien. Die Italienerin Chiara Zonca dagegen liebt die Einsamkeit in der Natur, die sie gern aus unterschiedlichen Kamera-Perspektiven erkundet. Den Geist des Ortes einfangen – am liebsten in ihrer Heimat Siebenbürgen – möchte Lavinia Cernau. Auch Asa Steinardottir ist von ihrer Heimat (Island) geprägt und will Natur erlebbar machen – am liebsten bei stürmischem Wetter.
Sonnenlicht und Schattenseiten
Knallig bunt mag‘s dagegen die Schwedin Evelina Severin, die für ihre Fotos klare Linien schätzt. Emilie Ristevski, die im Süden Australiens lebt, will auf ihren lichtdurchfluteten Fotos die Schönheit und Fragilität der Natur zeigen. Auch die Wienerin Marion Vicenta Payr liebt das Sonnenlicht auf ihren Motiven; in den Texten dazu nennt sie aber auch die Schattenseiten. Alten Sagen auf den Grund gehen will Julia Nimke aus Frankfurt/Oder – und mit ihren Fotos Geschichten erzählen. Die Berlinerin Elizabieta Rynski dagegen mag kreative Architektur, die sie ebenso kreativ in Szene setzt.
Nicht im Selfie-Modus
„Dass wir Menschen eins mit der Natur sein können“ möchte die Frankfurterin Sarah Pour mit ihren Fotos vermitteln, und gleichzeitig „wie klein wir im Vergleich mit ihr sind“. Huda bin Rheda aus Dubai (nicht aus Saudi-Arabien, wie es der Eingangstext zu den Fotos suggeriert) mag die Drohnen-Perspektive auf die Welt, während die Russin Julia Kivela sich am liebsten in unberührter Landschaft wilden Tieren nähert. Es sind total unterschiedliche Blickwinkel und Motive, die in dem anregenden Bildband präsentiert werden. Die Fotografinnen sind allesamt jung und „instagrammable“. Trotzdem verzichten sie meist auf die üblichen Selfies, setzen weniger sich selbst als ihre Motive in Szene. Wie das geht, das verraten sie auch in dem sehens- und lesenswerten Bildband. Auch der Knips-Knigge am Ende ist praktisch für mögliche Nachahmerinnen.
Info: Bell Collective – Unterwegs mit den neuen Pionierinnen der Reisefotografie, DuMont, 256 S., 34,90 Euro
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