Von Bären und Menschen

13. Februar 2025

Wem gehört unsere Welt? Clara Arnaud gibt in ihrem Roman „Im Tal der Bärin“ eine zwiespältige Antwort. Tatsächlich ist es kompliziert. Können sich Wildtiere und Menschen das Land teilen? Bären und Wölfe, die bei uns wieder angesiedelt wurden, sorgen für Konflikte. Auch in den Pyrenäen, wo Arnauds grandioser Roman spielt. Jägern und Hirten ist die eindrucksvolle Bärin ein Dorn im Auge, auch weil sie immer wieder Schafe reißt. Naturforscher sehen das anders. Der Graben zwischen den beiden Seiten ist kaum zu überbrücken.

Die Natur als Seelenlandschaft

Das muss auch Alma erkennen, die in einem abgelegenen Ort in den Pyrenäen darüber forscht, wie Bären und Menschen zusammenleben könnten. Wobei die ruhe- und heimatlose Wissenschaftlerin in der wilden Natur auch zu sich selbst finden will. „Um sie herum spürte sie den lebendigen Wald, die atmenden Berge und begriff, dass sie hier eine allumfassende Einsamkeit gefunden hatte.“ In dieser Einsamkeit fühlt sie sich der Bärin ganz nah.

Alles andere als Schäferidylle

Für den Schäfer Gaspard, der nach Studium und Berufserfahrung in der Heimat nach dem Sinn des Lebens sucht, sind solche Gefühle seit der Tragödie vom Vorjahr schwierig. Damals hat die Bärin seine Schafe angegriffen, worauf viele in Panik in den Tod stürzten. Auch die Hilfsschäferin Ilia verlor bei dem Angriff ihr Leben. Ein Trauma, mit dem Gaspard auch im Jahr danach vergeblich kämpft.
Auch sonst entspricht sein Dasein als Schäfer nicht den idyllischen Vorstellungen: „Gaspard wusste, dass die Alm keine Probleme löste oder Zweifel und Neurosen beseitigte. .. Der Alltag war hart und brachte den Körper an seine Grenzen. Aber er hielt auch magische Momente bereit, die die Ängste und Zweifel wettmachten, etwa, wenn man den Blick über den Horizont schweifen ließ und eins war mit den Bergen und den Schafen.“

Das Erbe der Tanzbären

Clara Arnaud wechselt in ihrem so gar nicht romantischen Bergroman nicht nur die Perspektiven, sondern auch die Zeiten. Denn aus diesem Pyrenäenort kamen einst auch Bärenführer. Einen von ihnen, Jules, begleitet Arnaud von der Kindheit bis in den Tod. Jules hat ein Bärenjunges geraubt, um es zu dressieren. Das ist ihm so gut gelungen, dass er in Amerika zu einem gewissen Ruhm gelangte. Doch das Vertrauen seiner Bärin hat er dabei verspielt. Das wird sich später rächen…

Kraftvolles Porträt des Berglebens

„Im Tal der Bärin“ ist nature writing, Bergroman, Historie und Entwicklungsroman mit Krimi-Elementen, ein kraftvolles Porträt des Lebens in den Bergen. Clara Arnaud hat dafür eine beeindruckende Sprache gefunden, weit entfernt vom Kitsch früherer Bergliteratur.
Im Folgenden beschreibt sie Gaspards verzweifelte Suche nach seiner geliebten Hündin: „Jetzt kippt es. Jetzt dreht er endgültig durch. Er läuft im Zickzack durch den Wald, wie ein Hund, der mit der Nase am Boden einer Duftspur folgt. Der Schwein der Stirnlampe fällt auf die Baumstämme, die Moosfäden, den Efeu und die anderen Aralien, die sich an den Bäumen festklammern und kaputte Äste umranken – all diese Arme, die ihn packen wollen… Der Boden unter seinen Füßen ist uneben, er stolpert, die Steine halten ihn zurück, an ihren hinterhältigen Ecken und Kanten bleiben seine Schuhspitzen hängen, die Wurzeln sind Fallstricke, die Löcher im Boden warten nur drauf ihn zu verschlingen. Das ist kein Wald mehr, das ist ein fahlgrüner Albtraum voller Farne, Nacktschnecken, Füchse und Bären.“

Info Clara Arnaud. Im Tal der Bärin, aus dem Französischen von Sophie Beese, Kunstmann, 350 S., 26 Euro

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