Vom Zauber der Berge

10. März 2022

Andreas Lesti liebt die Berge – und die Literatur. Und so hat sich der in Augsburg geborene und in Berlin lebende Journalist und Autor auf den Weg gemacht, in der Schweiz den Zauber zu erforschen, den die Berge dort auf Künstler und Literaten ausübten. Sein Buch „Zauberberge“, zauberhaft aufgemacht mit einem Leineneinband und alten Fotografien vor jedem Kapitel, folgt den Spuren deutscher Dichter und Denker in der Schweiz.

Ein Berg an Büchern

Lesti hatte sich im ersten Jahr der Pandemie aufgemacht und musste aufgeben. Im Sommer kehrte er zurück. Als erstes stand Davos auf dem Reiseplan. Davos, natürlich, Schauplatz von Thomas Manns „Zauberberg“. Der Roman über einen jungen Mann, „der sieben Jahre nicht mehr wegkam aus den Schweizer Bergen“. So lange hält es Andreas Lesti nicht in der Gebirgsstadt, obwohl er einen ganzen Berg Lektüre dabei hat – neben Thomas Manns Zauberberg auch den weitgehend unbekannte „Zauberlehrling“ von Erich Kästner, Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ oder Theodor Adornos „Minima Moralia“.

Das Schicksal der Villa Stein

Er wird also viel lesen auf dieser Reise – und sich verzaubern lassen. Die Spurensuche führt ihn in Davos von der Schatzalp zum Waldhotel und ins Medizinische Museum, wo er versucht, dem morbiden Kult um die Tuberkulose auf den Grund zu gehen. Wie ein Symbol der Vergänglichkeit erscheint ihm die Tatsache, dass die Villa Stein abgerissen werden sollte: „Die Villa am Stein! Dort, wo alles begann, wo die Idee für den Zauberberg entstand… Wo der schwer kranke Stevenson seinen ersten Roman Die Schatzinsel beendete… Wo Sherlock-Holms-Erfinder Doyle zu einer Skitour aufbrach und eine erstaunliche Reportage darüber schrieb.“

Sils Maria und Nietzsche

Auch in Zermatt stößt  Andreas Lesti auf Geschichtsvergessenheit. Nichts und niemand scheint sich dort noch an Adorno zu erinnern, der hier im Angesicht des bewunderten Matterhorns gestorben war. Ganz anders als in Sils Maria, wo im ebenso stil- wie geschichtsbewussten Hotel Waldhaus die Erinnerung an all die berühmten Menschen gepflegt wird, die hier Erholung suchten, nachdem Nietzsche das Örtchen am Silser See zu einem Pilgerort der Dichter und Denker gemacht hatte. Die Gästeliste reicht von Dürrenmatt bis Marcuse, von Antoine de Saint-Exupéry bis David Bowie, von Peter Handke bis zu Elke Heidenreich.

Skifahren und Lesen

Und der diskrete Hotelier sagt einen Satz, den der Wintersportler Andreas Lesti bei seiner Rückkehr in die Schweiz in die Tat umsetzt: „Man kann ja durchaus Ski fahren und Bücher lesen.“ Im winterkalten Zermatt, wo er nach einer dritten Rückkehr Adornos letzte Tage recherchiert, gönnt er sich die 25 Kilometer lange Talabfahrt, ehe er sich im Matterhornmuseum über die Tragödie der Erstbesteigung informiert und schließlich im Hotel Bristol doch noch etwas über Adorno erfährt.

Inspiration für die Reise

Man könnte noch viel mehr zitieren aus diesem schönen Buch, für das Andreas Lesti so viel Lesenswertes zusammengetragen hat. Das beste ist aber: Selbst lesen und womöglich mit dem Buch in die Schweizer Berge reisen. Inspiration dazu bietet „Zauberberge“ in Fülle.

Hineingelesen…

… in Gegensätzliches 

Ich wollte nach Sils Maria, dem kleinen Ort am Silsersee, südlich von St. Moritz. Zu der Zeit, als Davos zum „Mekka der Schwindsüchtigen“ wurde, suchte dort ein prominenter Gast seine Ruhe: der Philosoph Friedrich Nietzsche.  Später pilgerten seine Jünger dorthin, und im Hotel Waldhaus, das 1907 eröffnete, fanden all die Dichter und Denker eine ihnen angemessene Bleibe. Auch Katia und Thomas Mann waren da, ebenso wie Hermann Hesse, die beiden Literatur-Nobelpreisträger, die sich im Schnee von Davos gemeinsam fotografieren ließen. Und, wie sich zeigen wird, noch viele, viele andere. Die Fäden, die zwischen Davos und Sils Maria verlaufen, sind dicht miteinander verwoben. Und obwohl es zum Teil die gleichen Gäste waren, die beide Orte besuchten, war das vergnügte Sils Maria, so sollte ich feststellen, ein Gegenbild des kranken Davos.

Info Andreas Lesti. Zauberberge. BergWelten, 192 S., 20 Euro

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert