Ein schönes Ausländerkind, so auch der Titel dieses Buchs von Toxische Pommes, war diese Ich-Erzählerin wohl. Angepasst, strebsam, blond und blauäugig. Aber halt immer noch Ausländerin, die nicht so richtig dazu gehört zu der österreichischen Gesellschaft. Das wird ihr spätestens dann klar, als ihr Lehrer, der sie mit Best-Noten überschüttete, ihrer Mutter davon abrät, die Tochter aufs Gymnasium zu schicken. Eine Einwandererfamilie in Österreich Ihren Ehrgeiz zur Anpassung hat das nicht gebremst. Sie geht aufs Gymnasium, studiert, ja promoviert. Im echten Leben ist Toxische Pommes, so das Pseudonym der Juristin, mit satirischen Beiträgen auf TikTok erfolgreich. In Zukunft vielleicht auch als Buch-Autorin. Denn der autofiktionale Roman „Ein schönes Ausländerkind“ erzählt böse und berührend zugleich die Geschichte einer Einwandererfamilie aus dem ehemaligen Jugoslawien, ihrer Familie. Wohnen gegen Hausarbeit Alles beginnt in Wiener Neustadt südlich der österreichischen Landeshauptstadt. Hier findet die Familie Unterschlupf in einem großbürgerlichen Haushalt. Wohnen gegen Hausarbeit ist der Deal, den die Hausherrin vorgibt. Vor allem die Mutter unterwirft sich dem strengen Regime. Sie ist entschlossen, erst einmal die Sprache ihres Gastlandes zu lernen und dann in ihrem Beruf Karriere zu machen. Ehrgeizig wie sie ist auch die Tochter. Nur der Vater verweigert sich allen Integrationsbestrebungen seiner Familie. Dabei…
Ist das jetzt ein Sachbuch oder eines der derzeit so gehypten Memoirs? Kajzer, das Debüt von Menachem Kaiser ist womöglich beides. Denn der jüdische Kanadier schildert die Spurensuche nach seinen Vorfahren, die aus Polen vertrieben wurden oder im Holocaust ums Leben kamen. Die Adresse Konkret geht es um den Versuch, ein Wohnhaus, das dem Großvater gehörte, zurückzubekommen. Ausgangspunkt teilweise kafkaesker Verwicklungen ist die Adresse Malachowskiego 12 in der polnischen Stadt Sosnowiec im früheren Schlesien. Hier beginnt der Enkel 2015 mit seinen Recherchen, lässt sich von den freundlichen Bewohnern aus ihrem Leben in dem Haus berichten („This is my family‘s house“, das ist das Haus meiner Familie, sagt einer). Flankiert wird Menachem Kaiser dabei von seiner Anwältin, „Killerin“ genannt, und deren Assistentin. Der Großonkel Statt bei dieser aufwendigen Spurensuche dem Großvater näher zu kommen, entdeckt der Enkel einen unbekannten Verwandten, der in Polen durchaus Anerkennung genießt. Unter Schatzjägern, mit denen Menachdem Kaiser auf seiner Reise in die Vergangenheit ebenfalls in Berührung kommt. Dieser Abraham Kajzer hatte über seine Zeit in einem polnischen KZ sogar Buch geführt und das später veröffentlicht. Dabei ging es auch um das legendäre Großprojekt Riese der Nazis, das die Fantasie der polnischen Schatzjäger bis heute beflügelt. Das…
Daniel Glattauer nimmt in seinem neuen Roman „Die spürst du nicht“ die Lesenden mit auf eine Achterbahn der Gefühle und am Ende auch mit zu Menschen, „von denen wir nichts wissen wollen, weil wir sie nicht spüren“. Wie viele Tragödien fängt auch diese Geschichte ganz harmlos an. Zwei befreundete Familien fahren in die Toskana, um Ferien in einer noblen Villa mit Pool zu machen: die Binders und die Strobl-Marineks und ihre drei Kinder. Mit dabei ist auch eine Freundin der ältesten Strobl-Marinek-Tochter, Aayana, ein Flüchtlingsmädchen aus Somalia. Tragödie in der Idylle Alles scheint perfekt, Aayana fällt nicht weiter auf. Die Familien genießen das milde Klima, den Wein, die Urlaubsatmosphäre. Doch die Idylle zersplittert schnell, denn Aayana ertrinkt im Pool. Für die beiden Familien ist der Urlaub vorbei, ihr Leben geht weiter. Aber nichts ist, wie es vorher war. Vor allem die 14-jährige Sophie Luise fühlt sich allein gelassen. Von den Mitschülerinnen gemobbt sucht sie Trost im Internet. Hier lernt sie Pierre kennen, der sie mit seinen Zeichnungen aufmuntert. Über Chats, in denen So-Lu, wie Pierre sie nennt, sein Deutsch verbessert, kommen sie sich näher. Chats und Internet-Kommentare Daniel Glattauer kann das, den speziellen Chat-Sound. Aber auch Twitter-Kommentare, kurze Zeitungsnotizen zu…
„Du bist wirklich ein Kolibri“, schreibt die Freundin aus Kindertagen dem Augenarzt Marco Carrera. „Du bist ein Kolibri, weil Du wie die Kolibris, deine ganze Energie dafür verwendest auf der Stelle zu bleiben. Siebzig Flügelschläge in der Sekunde, um zu bleiben, wo Du bereits bist. Du bist großartig darin. Du schaffst es, in der Welt und in der Zeit anzuhalten. Du schafft es, die Welt und die Zeit um Dich herum anzuhalten, und manchmal schaffst Du es sogar, in der Zeit zurückzugehen, um die verlorene Zeit wiederzufinden, so wie der Kolibri fähig ist, rückwärts zu fliegen.“ „Der Kolibri“ heißt denn auch Sandro Veronesis neuer Roman über drei Generationen Familiengeschichte, für den der Italiener den renommierten Premio Strega erhielt. Unbarmherziges Schicksal Doch diese Generationengeschichte muss aus vielen Splittern zusammengesetzt werden, aus Briefen, Rückblenden, Gesprächen, Gedichten, philosophischen Abhandlungen. So erfährt man, dass Marco als Jugendlicher kleinwüchsig war und nur durch ärztliche Behandlung ein normales Wachstum erfuhr. Auch daher rührt der Name Kolibri. Dieser Kolibri wird im Lauf des Romans immer mehr zu einer Art neuem Hiob. So sehr er sich auch bemüht, das Schicksal schlägt immer wieder unbarmherzig zu. Wobei es auch positive Momente gibt – als der junge Carrera durch einen…