Poetisch und empathisch erzählt die irische Autorin und Booker-Preisträgerin Anne Enright in ihrem neuen Roman „Vogelkind“ von Mutter und Tochter, die um ihre Selbstermächtigung ringen. Dabei wechselt Enright fast sprunghaft die Perspektiven zwischen der Tochter Nell, ihrer Mutter Carmel und deren Vater Phil. Der später mit seinen Gedichten berühmt gewordene Ire hat seine Familie verlassen, als seine Frau an Krebs erkrankte. Im Stich gelassen Kein Wunder also, dass die Beziehung kompliziert ist. Carmel ist das Vogelkind aus dem gleichnamigen Roman und zugleich eine Figur aus einem Gedicht des Vaters: „Das Vogelkind/Sah heraus/Aus der Höhle/Meiner Faust/Und hielt still“. Die Kleine ist Phils Liebling, auch wenn er schon im Gedicht den Abschied vorwegnimmt: „Der Rückstoß/Kaum zu spüren/Als sie aufstieg/Weg von mir“. Doch für Carmel war es der Vater, der sie im Stich gelassen hat. Und so fühlt sie sich auch als Erwachsene, unfähig für Beziehungen. Die scheinbar flatterhafte Tochter Nell scheint diese Unfähigkeit geerbt zu haben und sucht sich die falschen Männer aus. Komplexes Beziehungsgeflecht Mit dem Wechsel an Perspektiven, die sie auch stilistisch unterschiedlich gestaltet, lädt Anne Enright die Lesenden dazu ein, die Lebensentwürfe der Protagonisten zu vergleichen. Nell, die ihr Geld mit dem Schreiben von Reisetexten über Länder verdient, die…