Verblüffend, wie Michel Houellebecq immer wieder aktuelle Entwicklungen vorwegnimmt. Auch für seinen neuen Roman Serotonin werden ihm fast prophetische Fähigkeiten attestiert, weil er im zweiten Teil so etwas wie die Bewegung der Gelbwesten skizziert habe. Doch dem „Miesepeter der französischen Literatur“ geht es eigentlich um etwas ganz anderes, um das Gefühl einer seelischen Verarmung, um totale Entfremdung und gesellschaftliche Kälte. „Ist so das Leben der Menschen?“ fragt sein Protagonist Florent-Claude Labrouste einmal, als er die Vereinsamung seiner großen Liebe beobachtet. Gescheitert und desillusioniert Dieser Mittvierziger, den sein Schöpfer als alten Mann bezeichnet, ist auf der ganzen Linie gescheitert – desillusioniert in der Liebe wie im Beruf als landwirtschaftlicher Berater, ein Misanthrop am Rande der Selbstzerstörung. Von seiner letzten Partnerin, der Japanerin Yuzu, für die er nur Verachtung kennt, hat er sich getrennt, nachdem er auf ihrem Computer ein Video gefunden hat, das sie beim Sex mit Hunden zeigt. Die Ausgangsbasis liefert Houellebecq reichlich Munition für die üblichen Frauen verachtenden Tiraden – geile Schnitten treffen da auf welke Fleischsäcke – , sexuellen Abschweifungen und ausführliches EU-Bashing. All das kennen Houellebecq-Leser zur Genüge – und es wäre auch nicht der Rede wert, wenn es nicht einen zweiten Teil gäbe. Rückkehr in die Vergangenheit…