Überraschend schnell scheint sich Saudi- Arabien zu wandeln. Kronprinz Muhammad bin Salman (MbS) will seine Land im Rekordtempo vom Vorgestern ins Übermorgen führen und hat publikumswirksam Reformen angestoßen, die vor allem die Situation der Frauen verbessern. Nadine Pungg hat diesen epochalen Wandel bei ihrer monatelangen Reise durchs Land miterlebt. In dem Buch „Frühling in Saudi Arabien“ schreibt sie über ihre Begegnungen mit selbstbewussten Frauen, die mehr Teilhabe fordern, aber auch über hinterwäldlerische Dörfer, in denen Männer ihre Frauen noch als Eigentum betrachten. Das Land der Extreme Diesen Widersprüchen begegnet Nadine Pungg nicht nur zwischen Stadt und Land. Der ganze Staat oszilliert zwischen Extremen: „Saudi-Arabien ist weder Himmel noch Hölle. Es ist ein kompliziertes Land, in dem verschiedene Realitäten gleichzeitig nebeneinander existieren. Ein erzkonservatives Königreich und eine junge Nation mit technologiebegeisterten Digital Natives. Saudi-Arabien ist Abgeschlossenheit und Weltoffenheit, ist Beduinenromantik und futuristische Stadtplanung, ist rote Linie und Ausreizung der Grenzen. Saudi-Arabien ist Gottesfurcht und Exzess, ist Absolutismus und Chaos, Tinder und Todesstrafe, Tabu und Tabubruch. Brutal und sanft. Saudi-Arabien ist das Einerseits und das Andererseits. Das Himmelblaue und das Finsterschwarze.“ Die dunkle Seite des Regimes Das „Finsterschwarze“ erleben Dissidenten wie Raif Badawi, der 2014 zu zehn Jahren Haft und eintausend Peitschenhieben…
Dass Frauen an Steuer dürfen, ist wohl nur in Saudi-Arabien eine Schlagzeile wert. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman weckt mit seinen Plänen für eine offenere Gesellschaft Hoffnungen auf Tauwetter in dem erzkonservativen Land. Kholoud Bariedah, die 2012 ihrem Heimatland den Rücken kehrte, heute in Berlin lebt und sich vom Islam abwandte, hat die rigiden Disziplinierungsmethoden des Regimes am eigenen Leib erfahren. In ihrem Buch „Keine Tränen für Allah“ schildert sie, „wie ich von Tugendwächtern verurteilt wurde und dem Frauengefängnis von Mekka entkam“. Wenn Tugendwächter eine Party stürmen Es ist ein ehrlicher, wenn auch manchmal etwas larmoyanter Bericht aus einem Land, in dem Frauen rechtlos sind und Tugendwächter das Leben bestimmen. Als Kholoud die ganze Härte des Regimes zu spüren bekommt, ist sie gerade mal 20 Jahre alt und feiert mit Freunden eine Party, die von Tugendwächtern gestürmt wird. Wie ihre Freunde landet Kholoud hinter Gittern, einer Besserungsanstalt für gefallene Mädchen. Vier Jahre Haft und 2000 Stockschläge Sie wird verurteilt: Zu vier Jahren Haft und 2000 Stockschlägen. Für etwas, was in anderen Ländern für junge Leute selbstverständlich ist, fröhlich sein, tanzen, feiern landet sie zunächst in Einzelhaft, darf weder Vater noch Mutter sehen und zerbricht fast daran: „Jeden Tag stellte…