Es waren andere Zeiten, harte Zeiten, von denen Lukas Hartmann, Jahrgang 1944, in seinem autofiktionalen Roman „Martha und die Ihren“ erzählt. Der Schweizer Autor greift dabei auf die eigene Familiengeschichte zurück. Wie die Martha im Buch war seine Großmutter ein Verdingkind, das sich aus eigener Kraft und mit viel Härte aus der Armut in die Bürgerlichkeit hochgearbeitet hat. Die Last der Kindheit Martha wächst zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihren Geschwistern in einem kleinen Schweizer Dorf auf. In Armut. Denn der Vater kann nach einem Unfall die Familie nicht mehr ernähren. Und als er stirbt, werden die sechs Kinder der Mutter weggenommen und von der Fürsorge auf verschiedene Bauernhöfe verteilt – auch Martha: „Die Kinder werden verdingt, auch das ist ein neues Wort für Martha. Später wird sie denken, dass das Wort ja stimmt, sie sind zu Dingen geworden.“ Eine bittere Erfahrung, denn die Bauernkinder lassen sie spüren, dass sie nicht dazu gehört. Doch Martha beißt sich durch, gönnt sich keine Schwäche. Pflicht vor Liebe Die Arbeit in einer Fabrik verschafft ihr Selbstbewusstsein und fast so etwas wie Freiheit. Doch genießen kann sie nicht. Die Angst vor einem erneuten Absturz ins Elend lässt ihr keine Ruhe. Ihr Leben besteht…
Mit der Melodie „Ein Lied geht um die Welt“ wurde der kleinwüchsige Tenor Joseph Schmidt endgültig zum Liebling der Deutschen. Und doch war seiner Karriere ein baldiges Ende beschieden, geriet der Sänger in Vergessenheit. Denn Joseph Schmidt war Jude. Der Mann, der noch 1937 in der Carnegie Hall aufgetreten war, dessen Stimme Millionen rührte, war in Nazideutschland unerwünscht. Keine Gegenwart ohne Vergangenheit Heimatlos wie so viele andere irrte er durch Europa und hoffte auf Asyl in der Schweiz. Aber auch bei den Eidgenossen war der jüdische Emigrant unerwünscht. Schon schwer krank wurde er ins Internierungslager Girenbad überwiesen, wo er an einer Herzschwäche starb. Lukas Hartmann holt den vergessenen Tenor mit seinem Roman „Der Sänger“ ins Rampenlicht – zu einer Zeit, in der wieder einmal über die Beschränkung der Flüchtlingszahlen diskutiert wird und über die Opfer, die der Bevölkerung angesichts der Menge der Immigranten aufgebürdet werden. Der Schweizer Autor, der in seinen Romanen immer wieder zeigt, dass die Gegenwart ohne Vergangenheit nicht denkbar ist, geht dabei mit seinem Heimatland, das sich in der Rückschau selbstgerecht als Bastion der Demokratie feiert, ins Gericht. Nationaler Egoismus verstellte den Blick auf das Elend der Emigranten, man verschloss die Augen vor der Tragödie vor der…
Die Geschichte ist filmreif: Die einzige Tochter des mächtigsten Schweizers des 19. Jahrhunderts heiratet den Sohn eines Bundesrats, der mit ihrem Vater verfeindet ist. Dann verliebt sie sich in den Jugendfreund ihres Mannes, einen unberechenbaren Künstler, der ein Bild von ihr malen soll – und brennt schließlich mit ihm durch. Worauf er ins Gefängnis und sie in eine Anstalt gesteckt wird. Wenig später bringen sich beide um. Kein Roman, sondern die die wahre Liebesgeschichte von Lydia Welti-Escher (1858–1891), Tochter des Gotthard-Königs Alfred Escher, und Karl Stauffer-Bern (1857–1891). Die Tragödie aus der Sicht des Dienstmädchens Lukas Hartmann, der vorzüglich Historisches in Romanform gießen kann, hat daraus einen Roman gemacht, in dem er die Tragödie aus der Sicht des Hausmädchens Marie Louise Gaugler erzählt. Auch dieses Mädchen gab es tatsächlich, wie Hartmann herausgefunden hat. Als 15-Jährige kam Luise in den herrschaftlichen Wohnsitz der Familie Welti-Escher. Das anfangs unbedarfte Mädchen wird zur engen Vertrauten der unglücklichen Millionenerbin, und die beiden so ungleichen Frauen nähern sich einander immer mehr an. Luises Liebe ist der Gegenentwurf zu Lydias Leidenschaft Auch Luise lernt die Liebe kennen, verzichtet aber aus Treue zu ihrer Arbeitgeberin lange Zeit auf deren Erfüllung. Erst nach dem Tod Lydias heiratet sie ihren…