Sex and the family
Rezensionen , Romane / 26. August 2024

Der Ire Paul Murray kann erzählen, seitenlang. Auch sein hochgelobter Roman „Der Stich der Biene“ ist ein dicker Brocken. Die 700 Seiten über eine dysfunktionale Familie in den irischen Midlands haben es 2023 sogar auf die Shortlist des renommierten Booker Prize geschafft. „Sie werden in diesem Jahr keinen traurigeren, spannenderen und lustigeren Roman lesen“ wird der Guardian auf dem Umschlag zitiert. Sinnbild des Zerfalls Tatsächlich ist diese Geschichte über den Niedergang der Familie Barnes teilweise urkomisch, teilweise Furcht erregend aktuell und immer spannend. Murray lässt die Lesenden hinter die Fassade blicken – auf eine irische Gesellschaft, wie man sie so nicht kennt. Der  Zerfall der wohlhabenden Familie steht sinnbildlich für den Zerfall der Gesellschaft, die nach dem Motto zu leben scheint „Jeder für sich und Gott gegen alle“. Ein ungleiches Paar Im Mittelpunkt der Geschichte, die Paul Murray aus den unterschiedlichen Perspektiven der Familie erzählt, steht Dickie, der den prosperierenden Autosalon seines Vaters an die Wand fährt. Nach dem Unfalltod seines charismatischen Bruders Frank hat Dickie dessen Geliebte geheiratet, obwohl er während seines Studiums in Dublin seine Homosexualität entdeckt und mit einem Freund ausgelebt hat. Imelda kommt aus prekären Verhältnissen: Der Vater ein nichtsnutziger Säufer, die Brüder bis auf den…

Sprachlos in Irland
Rezensionen , Romane / 22. Juli 2024

Mit „Long Island“ knüpft Colm Tóibín an seinen Roman „Brooklyn“ an, in dem die junge Irin Eilis in den 1950er-Jahren zum Arbeiten nach New York kommt und dort heimlich den Italiener Toby heiratet. Bei einem Besuch in der Heimat trifft sie ihre Kindheitsliebe Jim wieder und verbringt mit ihm und den Freunden Nancy und George einen glücklichen Sommer. Rund 20 Jahre später lebt Eilis mit Tony und ihren Kindern in „Long Island“. Doch glücklich ist sie nicht. Denn Tony hat sie mit einer Nachbarin betrogen – und die erwartet ein Kind aus diesem Seitensprung. Flucht in die Heimat Eilis weigert sich strikt, dieses Kind aufzunehmen. Ganz im Gegensatz zur italienischen Großfamilie, die darin kein Problem sieht. Die Irin fühlt sich zunehmend unverstanden in dem Familienverbund und beschließt, zum 80. Geburtstag ihrer Mutter nach Irland zu reisen, um sich über ihre Gefühle klar zu werden. Jim und seine Pläne Doch es kommt anders als geplant. Denn in der irischen Kleinstadt lebt immer noch Jim, der nie geheiratet hat. Allerdings hat er sich nach langem Zögern dazu entschlossen, mit der inzwischen verwitweten Nancy ein neues Leben anzufangen. Bringt Eilis diese Pläne ins Wanken? Es ist vor allem die Sprachlosigkeit der Protagonisten, die…

Wunschstein und Liebesschloss
Reisebücher , Rezensionen / 16. April 2024

Irland ist für viele Sehnsuchtsziel. Wie einst Heinrich Böll haben sie auf der grünen Insel ihr Glück gefunden. Wer noch auf der Suche ist, bekommt Hilfe von der Reisebuchautorin Cornelia Lohs. 80 „Glücksorte in Irland“ verspricht sie und gerät schon beim Vorwort ins Schwärmen. Glück an der Westküste Wer ihr durch die 167 Buchseiten folgt, wird mit Sicherheit fündig, wenn auch vor allem an der Westküste. Hier hat  Cornelia Lohs nicht nur grandiose Landschaften erkundet, sie hat auch magische Plätze gefunden, sich in die irische Sagenwelt vertieft und in die Kunstwelt der Moderne. Sie hat himmlische Aussichten genossen und irdische Genüsse. Sie ist in der City gepaddelt, im Park geradelt und hat im Doppeldecker-Bus Sightseeing mit Tee und Scones ausprobiert. Liebesschloss Kylemore Abbey Es gibt viel zu sehen und zu erleben auf der grünen Insel und damit auch viele Möglichkeiten, glücklich zu sein. Vielleicht ganz besonders beim „Schloss der Liebe“, Kylemore Abbey in Connemara. Ja, auch Irland hat so etwas wie das indische Taj Mahal. Auch Kylemore erinnert an eine unsterbliche Liebe, wie Lohs schreibt: Der Arzt Mitchell Henry hatte für seine geliebte Frau Margaret das 50-Zimmer-Schloss errichten lassen. Als die neunfache Mutter mit nur 45 Jahren bei einer Ägypten-Reise…