Daniela Krien ist immer nah dran an ihren Figuren und die „sind keine Gewinner“, wie die Autorin einmal gesagt hat. Das gilt auch für die Protagonisten ihres neuen Romans „Der Brand“. Die Psychologin Rahel und der Germanistikprofessor Peter sind beide in der Mitte des Lebens angekommen und scheinbar am Ende ihrer Ehe. Nun haben sie einen Urlaub in den Alpen geplant, aber ein Brand hat ihr Urlaubsdomizil vernichtet. Deshalb fahren sie auf Bitten einer Freundin zum Haus und Hof Hüten in die Uckermark. Dahin, wohin es derzeit viele Berliner drängt. Drei Wochen Zeit Drei Wochen wollen sie bleiben und dabei versuchen, das Feuer unterm Dach ihrer Ehe zu löschen. Rahel leidet unter Peters schwindendem Begehren, seiner Zurückgezogenheit, seiner neutralen Freundlichkeit. Und Peter kommt nicht darüber hinweg, dass er Opfer eines Gender-Shitstorms geworden ist, obwohl er sich doch immer auf der Höhe des Zeitgeists fühlte. Daniela Krien kann das: Mit lapidaren Sätzen existentielle Situationen skizzieren. Interfamiliäre Zwistigkeiten Ihrem durchdringenden Blick entgeht nicht Rahels Selbstbezogenheit, auch nicht Peters gekränkter Stolz. Das Ringen um diese Ehe wird begleitet von einem flügellahmen Storch, einer einäugigen Katze und dem Tod des Hof-Eigentümers. Das klingt ziemlich unspektakulär. Aber Daniela Krien gelingt es, aus innerfamiliären Zwistigkeiten Spannung…
Natürlich geht es um Bier in diesem Buch, um Craft Beer vor allem, handwerklich hergestelltes Bier. Aber noch wichtiger als Hopfen und Malz sind die Frauen, die mit Bier Karriere machen. J. Ryan Stradal stellt in seinem Roman „Die Bierkönigin von Minnesota“ drei starke Frauen in den Mittelpunkt, die Männer bleiben nebensächlich. Es sind die Frauen – Großmutter, Großtante und Enkelin – die dieses Buch tragen. Durch Zufall zum Bier Edith, die Duldsame, die immer anderen den Vortritt gelassen hat. Nachdem Dianas Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind, nimmt sie die Enkelin Diana bei sich auf, ein selbstbewusstes, aufmüpfiges aber auch liebevolles Mädchen, das sich mit Diebstählen ein Zubrot verdient. Meist, um die naive Großmutter zu unterstützen. Zum Bier kommt Diana, anders als ihre Großtante Helen, nur durch einen unglücklichen Zufall. Ausgerechnet ein Braumeister erwischt sie bei einem Raubzug und verdonnert sie dazu, ihre Schulden durch Arbeiten in der Brauerei abzuarbeiten. Craft Beer statt billige Plörre Bald schon kreiert Diana ihr eigenes Bier, natürlich ein charaktervolles Craft Beer. Etwas ganz anderes als das, was ihre Großtante Edith für die Großbrauerei Blotz zusammengebraut hat. Anders als Diana wollte Edith immer schon Bier brauen, die Heirat mit dem Blotz-Erben war…
Das Damengambit: Von der Serie zurück zum Buch. Sechs Teile waren für die Netflix-Serie geplant – sieben wurden es. Zu spannend war es, zu sehen, wie die Waise Beth Harmon auf dem Schachbrett reihenweise Männer mattsetzt. Schach als Thriller? Für passionierte Schachspieler keine Frage. Aber auch Menschen mit wenig oder keiner Schach-Erfahrung folgten gebannt dem Aufstieg der Schachspielerin Elizabeth vom Keller des Waisenhauses bis nach Las Vegas und ihrem Siegeszug in Moskau. Lesend in die Schachwelt eintauchen Wer die Serie nicht gesehen oder wenig Lust auf Streaming hat, kann sich auch lesend in die Welt des Damengambits hineinversetzen. Denn Diogenes hat die Romanvorlage des Amerikaners Walter Tevis von vor knapp 40 Jahren neu aufgelegt. Die Parallelen zwischen dem an Lungenkrebs verstorbenen Autor und seiner Protagonistin kommen nicht von ungefähr. „Ich habe mich von meinen Ängsten befreit, indem ich mich in die Sicherheit, die Schach mir bot, zurückgezogen habe“, soll Tevis beim Erscheinen seines Romans gesagt haben. Suchterfahrungen im Waisenhaus Wie Beth war er jahrelang alkoholkrank, obwohl er als Autor durchaus erfolgreich war. Mit seinen Romanen „Haie der Großstadt“ und „Die Farbe des Geldes“(beide verfilmt mit Paul Newman) hatte er sich international einen Namen gemacht. Beths Abhängigkeit von Drogen und ihren…
Es gilt mal wieder ein Jubiläum zu feiern: Donna Leons Commissario Brunetti löst seinen 30. Fall. „Flüchtiges Begehren“ ist der Titel des neuen Romans, in dem Brunetti die Leser wieder mitnimmt auf seine Streifzüge durch Venedig. Unschönes in Venedig Mehr als sonst ist der Commissario von Melancholie geplagt. Vielleicht weil er es mit zwei jungen Männern zu tun hat, die ihn an seinen Sohn erinnern. Vielleicht aber auch, weil er all der Missetaten und unschönen Entwicklungen überdrüssig ist, die ihm in seinen langen Dienstjahren begegneten und die ihm das Leben in Venedig verleiden: Massentourismus und Umweltverschmutzung, korrupte Politiker und mafiöse Strukturen. Vieles scheint auserzählt Nicht einmal die geliebte Familie kann den Commissario so recht aufheitern. Und der schönen und smarten Signorina Elettra gönnt er kaum einen Blick. Wie die Familie gehört sie zum lieb gewonnenen Personal der Romane. Vieles scheint auserzählt in dieser Folge wie die Launen des dumm-arroganten Vorgesetzten Patta oder auch die Kochkünste der intelligenten Ehefrau Paolo. Griffoni und die Frauen-Power Dass Donna Leon mit der schönen Neapolitanerin Claudia Griffoni eine neue Figur eingeführt hat, spricht allerdings gegen die Annahme, die Amerikanerin könnte ihre erfolgreiche Krimi-Serie beenden. In diesem Fall, in dem es anfangs nur um einen schrecklichen…
Was für ein Buch: Sasha Filipenko, 1984 in Minsk geboren und in St. Petersburg lebend, hat das belarussische Drama in einen Roman gegossen, der niemand kalt lassen kann. Zu gegenwärtig sind noch die verzweifelten Demonstrationen gegen Lukaschenko auf den Straßen von Minsk. „Meine inständige Hoffnung ist, dass diese Buch in meinem Land eines Tages nicht mehr aktuell sein wird“ schreibt der Autor im Vorwort. Keine Hoffnung auf Freiheit Es sieht nicht danach aus, als würde diese Hoffnung bald in Erfüllung gehen. Es sieht eher danach aus, als würde das Land unter dem ungeliebten Diktator weiter im Koma dahinsiechen, als würde alles bleiben wie es ist. Keine Aussicht auf Veränderung, keine Hoffnung auf Freiheit. Filipenko hat dafür Bilder gefunden, die haften bleiben. Angepasstes Leben Im Zentrum des Romans steht der 16-jährige Franzisk Lukitsch, der bei seiner liebevollen aber strengen Babuschka aufwächst und in einem staatlichen Gymnasium Cello lernt. Die Lehrer sind angepasst, unterrichten nach staatlicher Interpretation, andere haben keine Chance. Franzisk und seine Freunde sind es leid, wollen Spaß haben, die Jugend genießen, das Leben feiern. Doch bei einer Massenpanik wird der Junge schwer verletzt und fällt ins Koma. Die Hoffnung der Babuschka Obwohl der behandelnde Arzt und spätere Mann der…
Als literarisches Wunderkind wurde Benedict Wells (Foto: Roger Eberhard) gepriesen, als er mit Anfang 20 den Roman „Becks letzter Sommer“ veröffentlicht hatte – in seinem Wunschverlag Diogenes, dem er bis heute treu geblieben ist. Inzwischen ist der Name Benedict Wells fast schon Garant für Bestseller. Auch der jüngste Roman „Hard Land“ eroberte im Nu Platz 1 auf der Spiegel-Bestsellerliste. Immer wieder gelingen dem jugendlich wirkenden Deutsch-Schweizer, Jahrgang 1984, Bücher, die Kritiker als „Meisterstück“ bezeichnen und nach deren Lektüre nicht nur Fans behaupten, dass dieser Autor „schreiben kann“. Anfangs nur Absagen Eine Genugtuung für Wells, der mit anderen erfolgreichen Schriftstellern die Erfahrung teilt, am Anfang nur Absagen kassiert zu haben. Nach Schuljahren, die er ab dem Alter von sechs Jahren vorwiegend in Internaten verbracht hatte, und dem Abitur, entschied er sich fürs Schreiben und zog von München nach Berlin, in ein „fabelhaft schäbiges Einzimmer-Appartement“ – voller Erwartung auf ein Schriftsteller-Leben. „Tagsüber jobbte ich, nachts saß ich gespannt vor einem weißen Blatt und versuchte, es mit Leben zu füllen.“ Lieblingsautoren als Lehrer Seine Lehrer waren Lieblingsautoren wie Steinbeck, Nabokov, Tolstoi, Marc Twain aber auch Otfried Preußler mit Krabat und Stephen King mit „Das Leben und das Schreiben“. Vor allem aber John Irving,…
Fünf Jahre hat Benedict Wells an Hard Land geschrieben, war dafür einige Monate lang in den USA unterwegs und hat „wirklich jeden einzelnen Coming-of-Age-Film der 80ʼs geschaut“. „Ich habe für dieses Buch alles gegeben, was ich konnte, sagt der Autor über sein Buch. „Und ehrlich gesagt habe ich gerade diese Geschichte, diese Figuren, diesen Ort und dieses coming of age Genre so geliebt wie fast nichts bisher beim Schreiben.“ Der erste Satz sagt alles Filme und Musik spielen auch in diesem Roman, der ein Jahr im Leben des jungen Sam erzählt, eine wichtige Rolle – und Zitate. „In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb“ lautet der erste Satz, eine Variation von Charles Simmons‘ erstem Satz in „Salzwasser“: „Im Sommer 1963 verliebte ich mich und mein Vater ertrank“. Und dieser Satz umschreibt eigentlich schon alles, was Sam in diesem Jahr 1984/85 zustößt. Vom Außenseiter zum Insider 16 Jahre ist er alt, ein scheuer Knabe noch, einsam, ängstlich, unerfahren. Ein Einzelgänger ohne Freunde, der Angst davor hat, seine geliebte Mutter zu verlieren. Denn Sams Mom hat Krebs und wird wohl daran sterben. Diese Gewissheit überschattet sein Leben, bis er als Aushilfe im Kino neue Freunde kennenlernt, die älter sind,…
Ein Capri-Krimi? Capri das ist Sinnbild für Lebensfreude, Schönheit, Urlaub. Aber doch nicht für Mord und Totschlag. Der Autor Luca Ventura allerdings will die italienische Insel im Golf von Neapel zum Schauplatz seiner Krimis um den noch unerfahrenen Inselpolizisten Enrico Rizzi machen. Straßenmusiker und Sohn reicher Eltern Im ersten Capri-Krimi muss Rizzi den Mord an einem jungen Mann aufklären, der als Straßenmusiker aufgefallen war und sich als Sohn reicher Eltern entpuppt. Wer hat Jack Milani ermordet? Seine Freundin Sofia, die spurlos verschwunden ist? Der Professor im Institut für Ozeanologie, dem er mit privaten Enthüllungen gedroht hat? Komplizierte Aufklärung Der Inselpolizist, der nebenbei noch seinem Vater in den Obstgärten helfen muss, ist genervt. Ausgerechnet mitten im August hält ihn dieser Mord auf Trab. Und obwohl er irgendwann die beiden Verdächtigen in Gewahrsam hat, scheint er von der Aufklärung des Mordes noch weit entfernt… Ventura lässt einen sympathischen Polizisten auf Capri ermitteln, und die leidlich spannende Geschichte klärt ganz nebenbei auch darüber auf, wie es mit den Weltmeeren bestellt ist. Hineingelesen… … in die Meeres-Problematik Als sie klein gewesen war, dachte sie immer, der Golf von Neapel sei das größte Meer der Welt, und wer darin bade, bekäme eine schöne, samtige Haut….
Natürlich kennt auch Charles Lewinsky die ruhmreichen Eidgenossen aus Schillers „Wilhelm Tell“. Doch der Schweizer Autor will nichts vom Heldenmythos wissen. In seinem Roman „Der Halbbart“ lässt er einen elfjährigen Knaben vom Kampf der Eidgenossen gegen die Habsburger erzählen – aus dem Blickwinkel der kleinen Leute. Geschichte und Geschichten Die Welt des jungen Sebi, der mit den ungleichen Brüdern Poli und Geni aufwächst, ist geprägt von Tod und Teufel – und von der Macht des Klosters Einsiedeln. Anfang des 14. Jahrhunderts stritten die Schwyzer im „Marchenstreit“ mit dem unter dem Schutz der Habsburger stehen Kloster über die Nutzung von Wald- und Weideflächen. Am Dreikönigstag unternahmen sie einen folgenschweren Überfall, der später zur Schlacht am Morgarten führte. Auch die ein Mythos in der Schweizer Geschichte. Doch Charles Lewinsky geht nicht der bekannten Geschichte auf den Leim, ihm geht es ums Geschichtenerzählen. Himmel und Hölle Und das kann der Sebi, der sonst zu wenig taugt. Ist er doch beim Teufels-Anneli, der wandernden Märchentante, in die Lehre gegangen, nachdem er aus dem Kloster geflohen war. Denn eine Kindsleiche beseitigen, wie der Abt es ihm befohlen hat, das wollte der Sebi denn doch nicht. Lieber gräbt er dem kleinen Leichnam im Wald ein Grab,…
Kalmann sieht sich als Sheriff seines Dorfs im Norden von Island. Schließlich hat er einen Cowboyhut und einen Sheriffstern. Doch eigentlich ist er Experte für Gammelhai, eine isländische Spezialität. Das hat er von seinem Opa gelernt, der den Jungen großgezogen hat. Schnelldenken hat er dabei nicht gelernt, aber auf seinem Gebiet ist er ein anerkannter Fachmann. Die Sache mit der Blutlache Dann entdeckt Kalmann auf der Jagd eine Blutlache und schon steckt er mittendrin in einem Kriminalfall. Denn das Blut könnte vom unbeliebten Hotelbesitzer sein, der seit Tagen vermisst wird. Der Fall zieht Kreise. Polizisten verhören Kalmann, Journalisten wollen mehr von ihm wissen, und die litauische Mafia spielt auch eine Rolle. Und doch ist Joachim B. Schmidts Roman „Kalmann“ kein Krimi. Eine Art Lebenskünstler Denn im Mittelpunkt steht dieser Forrest Gump Islands, ein etwas tumber Kerl, der auf seine Art ein Lebenskünstler ist. Schmidt erzählt die Geschichte ganz aus der Perspektive dieses Mannes, dem seine Klassenkameraden attestierten, dass „die Räder in meinem Kopf rückwärts laufen“. Auch seiner Erzählung ist nicht immer einfach zu folgen, da purzeln die Ideen durcheinander – Klimawandel, Gletscherschmelze, Sex. Auge in Auge mit dem Eisbären So dumm sind die Gedanken gar nicht, die Kalmann in seinem…