Fatales Erbe
Rezensionen , Romane / 1. Juli 2024

Donna Leon hat es selten eilig, zum Kern der Kriminalgeschichte zu kommen. Ihre Romane um Commissario Brunetti sind auch immer weniger Krimis als Geschichten, die in Venedig spielen. Gesellschaftskritik wird der erfolgreichen Autorin dabei immer wichtiger. Das gilt auch für den 33. Fall, den der zunehmend frustrierte Commissario zu bearbeiten hat. Der Terror der Babygangs Alles beginnt mit den „Babygangs“, die sich in Venedig gegenseitig terrorisieren und mit ihren Umtrieben auch die Venezianerinnen und Venezianer verunsichern. Brunettis Kollegin, die schöne  Neapolitanerin Claudia Griffoni, wird bei einem Einsatz unfreiwillig in so eine Auseinandersetzung hineingezogen, nachdem die Polizei eine der Gangs aufgegriffen hat. Griffoni übernimmt dabei die Verantwortung für den jungen Orlando, der als einziger nicht von seinem Vater  abgeholt wird. Von diesem Vater,  Dario Monforte, der vor langer Zeit als „Held von Nasiriya“ gefeiert wurde, und seinem fatalen Erbe  werden die Lesenden noch öfter hören. Eine echte Feuerprobe Es beginnt also alles eher harmlos, die Handlung nimmt nur ganz langsam Fahrt auf. Aber ab dem zweiten Drittel kommt die gewiefte Autorin so richtig zur Sache und am Ende gelingt ihr ein filmreifer Showdown, der den Titel „Feuerprobe“ mehr als rechtfertigt.  Dabei  kommt Monforte, dessen unschöne Rolle im Irak-Krieg Brunetti und Griffoni…

Brunetti: Jubiläum in Melancholie
Rezensionen / 17. Juni 2021

Es gilt mal wieder ein Jubiläum zu feiern: Donna Leons Commissario Brunetti löst seinen 30. Fall. „Flüchtiges Begehren“ ist der Titel des neuen Romans, in dem Brunetti die Leser wieder mitnimmt auf seine Streifzüge durch Venedig. Unschönes in Venedig Mehr als sonst ist der Commissario von Melancholie geplagt. Vielleicht weil er es mit zwei jungen Männern zu tun hat, die ihn an seinen Sohn erinnern. Vielleicht aber auch, weil er all der Missetaten und unschönen Entwicklungen überdrüssig ist, die ihm in seinen langen Dienstjahren begegneten und die ihm das Leben in Venedig verleiden: Massentourismus und Umweltverschmutzung, korrupte Politiker und mafiöse Strukturen. Vieles scheint auserzählt Nicht einmal die geliebte Familie kann den Commissario so recht aufheitern. Und der schönen und smarten Signorina Elettra gönnt er kaum einen Blick. Wie die Familie gehört sie zum lieb gewonnenen Personal der Romane. Vieles scheint auserzählt in dieser Folge wie die Launen des dumm-arroganten Vorgesetzten Patta oder auch die Kochkünste der intelligenten Ehefrau Paolo. Griffoni und die Frauen-Power Dass Donna Leon mit der schönen Neapolitanerin Claudia Griffoni eine neue Figur eingeführt hat, spricht allerdings gegen die Annahme, die Amerikanerin könnte ihre erfolgreiche Krimi-Serie beenden. In diesem Fall, in dem es anfangs nur um einen schrecklichen…

Brunetti hat einen Burnout
Rezensionen / 2. Juni 2017

Er ist sicher einer der bekanntesten Kommissare. Gäbe es ihn wirklich, Guido Brunetti könnte ein Dienstjubiläum feiern. Denn seit 1992 versucht der sympathische Commissario nimmermüde in der Questura von Venedig Heuchlern und Verbrechern das Handwerk zu legen. Pädophile und Sex-Touristen hat er ebenso aufgespürt wie mafiöse Verstrickungen von Immobilienhaien oder Giftmüllskandale aufgeklärt. Und dabei (fast) den Glauben an die Menschheit verloren. Alltagsfrust  Denn Urheber vieler Verbrechen oder Skandale sind oft angesehene Bürger der Stadt. Und die meisten kommen am Ende dank ebenso findiger wie skrupelloser Anwälte ungeschoren davon. Hinzu kommt die oft frustrierende Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten, Vize-Questore Patta. Ohne die hilfreiche Präsenz der charmanten und klugen Signorina Ellettra und das meist heile Familienlieben wäre soviel Alltagsfrust unerträglich. Auszeit in der Lagune  Kein Wunder also, dass Brunetti nach 25 Jahren einen Zusammenbruch hat. Der ist zwar vorgetäuscht, um einen Kollegen vor einem falschen Schritt zu bewahren. Aber der Commissario merkt schon im Krankenhaus, dass tatsächlich eine Auszeit braucht. Die findet er auf einer kleinen Insel in der Lagune, wo eine Tante seiner Frau ein Anwesen hat. Der wortkarge Verwalter stellt sich als alter Freund von Brunettis Vater heraus, er ist Hobby-Imker und nimmt den Kommissar mit auf seine Streifzüge durch…

Donna Leon: Wie die Fliege im Bernstein
Rezensionen / 5. August 2016

Es ist der 25. Fall für Commissario Brunetti, jenen „guten Menschen“, den Donna Leon sich ausgedacht hat, und der einfach nicht älter wird. Die Lebenszeit ist einfach stehen geblieben in den Krimis „wie die Fliege im Bernstein“, weil die Leser es so wollen. So Donna Leon in einem Interview mit der Welt. Da passt dann auch der Titel des neuen Romans „Ewige Jugend“. Auch im Roman steht die Metapher vom Insekt im Bernstein. Doch es geht nicht um von Schönheitsoperateuren verjüngte Frauen, nicht um Anti-Aging, sondern um einen Alptraum. Erwachsen geworden und Kind geblieben Als junges Mädchen war die bildhübsche Manuela in einem der venezianischen Kanäle so lange unter Wasser geraten, dass sie einen Hirnschaden erlitt. Inzwischen ist sie erwachsen, immer noch bildhübsch – aber ein Kind geblieben. Ihre Großmutter kann nicht akzeptieren, dass Manuela das Opfer eines Unfalls wurde. Deshalb ermittelt Brunetti in dem 15 Jahre alten Fall, von dem eigentlich niemand mehr etwas wissen will. Und natürlich kommt er auf seine gelassene Art und Weise einem scheußlichen Komplott auf die Spur. Dazwischen hat der Commissario ausgiebig Gelegenheit, sich über seinen Vorgesetzten Patta zu ärgern, die Hilfe von Signorina Elettra in Anspruch zu nehmen, die Kochkunst seiner Frau Paola…