Zeitreise in ein anderes Australien
Rezensionen / 16. November 2020

Nichts geht derzeit mit Reisen nach Australien. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, sich intensiv mit Down Under zu beschäftigen. Auch mit noch unbekannten Seiten des Kontinents. Zum Beispiel mit der Geschichte des deutschen Auswanderers Bernhard Otto Holtermann. Der Sohn eines Hamburger Fischhändlers fand 1872 in seiner Wahlheimat den größten Goldklumpen aller Zeiten und finanzierte mit dem Geld Fotografen, deren Bilder die einstige Sträflingskolonie in ein besseres Licht rücken sollten. Die Unesco hat die weltgrößten Glasplattennegative (130 x 96,5 Zentimeter) als Weltkulturerbe geschützt. Deutscher Einwanderer und Philanthrop Die aufregende Geschichte des deutschen Auswanderers und seines Projekts – und natürlich auch viele Fotografien – präsentiert der großformatige Bildband „Australien 1872“.  Autor Christoph Hein hat sich intensiv mit dem Leben des Philanthropen Holtermann beschäftigt – in der alten und in der neuen Heimat. „Holtermann und die anderen, sie spielten in einer riesigen Lotterie unter Einsatz ihrer Leben“, schreibt Hein über die Goldgräber-Zeit. Der größte Goldklumpen der Welt Doch „Holtermann war ein Stehaufmännchen, ein Gründer, ein genialer Selbstvermarkter. Er schuf Verbindungen, vermochte Freunde wie Beyers oder die Fotografen Merlin und Bayliss ein Leben lang zu halten.“ Trotzdem, es waren harte Zeiten, vor allem auch für die Frauen, die auch in Zeiten größter Not…

Wer ist Philipp Lyonel Russell?
Rezensionen / 6. Mai 2019

Der Übersetzer ist bekannt: Der deutsche Schriftsteller Christoph Hein hat den Roman von Philipp Lyonel Russell „Am Ende ein Blick aufs Meer“ in einem kongenial heiteren Plauderton ins Deutsche übertragen. Erzählt wird das Leben des erfolgreichen britischen Autors P.G. Wodehouse (1881 bis 1975). Wodehouse, im Leben mit dem Spitznamen Plum (Pflaume) geschlagen, heißt bei Russell Frederick Bingo Mandeville und war wie sein Vorbild schon als Kind ein Possenreißer. Doch wer ist Philipp Lyonel Russell? Mastermind mit Pseudonym Ein Pseudonym heißt es beim Verlag. Der Mann, 1958 in England geboren, lehre in den USA und habe sich als „Mastermind der National Science Foundation einen Namen gemacht“. Weil das englische Original zur Hein-Übersetzung nicht vorliegt, hat sich Lothar Müller von der SZ auf Spurensuche gemacht und den Übersetzer befragt. Hein gab Auskunft: Den vom Autor „sehr gut honorierten“ Auftrag habe er von einer renommierten Wiener Kanzlei erhalten. Wie auch immer, der locker erzählte Roman über einen Mann, der „das Paradies der Kindheit nie verließ“ (Müller) gibt eine Ahnung davon, wie Menschen in Kriegszeiten Realität ausblendeten: „Für die amerikanischen Bewohner der Hamptons war dieser Krieg auf dem fernen Kontinent so aufregend und bedeutungsvoll wie irgendein beliebiges Football-Turnier…Man verfolgte gelegentlich und unberührt die Ereignisse,…