Charles Lewinsky (Jahrgang 1946) kann vieles: Volkslieder, Sitcoms, Hörspiele. Vor allem aber kann er schreiben. Und wie! Sein Roman „Der Halbbart“ stand 2020 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und wurde für den Schweizer Buchpreis nominiert. Preiswürdig ist auch sein neuer Roman „Sein Sohn“. „Von dem Sohn, den der Herzog von Orléans mit der Köchin Marianne Banzori zeugte, ist nur bekannt, dass er im Dezember 1794 zur Welt kam und in einem Waisenhaus in Mailand abgegeben wurde. Alles andere ist Erfindung.“ So steht es am Ende dieses Buches. Suche nach der eigenen Identität Für den fiktiven Lebensweg dieses Sohnes hat sich Lewinsky tief in die Geschichte der nachnapoleonischen Zeit begeben. Doch trotz aller historischen Hintergründe ist „Sein Sohn“ viel mehr als ein historischer Roman. Denn die Suche nach der eigenen Identität ist zeitlos. Für Louis Chabot, den Protagonisten des Romans, beginnt das Leben als Underdog in einem Waisenhaus. Ganz allmählich und mit der Hilfe eines wohlwollenden Marquis arbeitet sich der von allen gemobbte Junge zu einem angesehenen Bürger empor. Viel Glück im Leben Das Glück scheint ihm auch in schlimmen Zeiten hold zu sein. Und Louis Chabot ergreift es mit beiden Händen, ohne seine Menschlichkeit zu verlieren. Das zahlt sich…
Natürlich kennt auch Charles Lewinsky die ruhmreichen Eidgenossen aus Schillers „Wilhelm Tell“. Doch der Schweizer Autor will nichts vom Heldenmythos wissen. In seinem Roman „Der Halbbart“ lässt er einen elfjährigen Knaben vom Kampf der Eidgenossen gegen die Habsburger erzählen – aus dem Blickwinkel der kleinen Leute. Geschichte und Geschichten Die Welt des jungen Sebi, der mit den ungleichen Brüdern Poli und Geni aufwächst, ist geprägt von Tod und Teufel – und von der Macht des Klosters Einsiedeln. Anfang des 14. Jahrhunderts stritten die Schwyzer im „Marchenstreit“ mit dem unter dem Schutz der Habsburger stehen Kloster über die Nutzung von Wald- und Weideflächen. Am Dreikönigstag unternahmen sie einen folgenschweren Überfall, der später zur Schlacht am Morgarten führte. Auch die ein Mythos in der Schweizer Geschichte. Doch Charles Lewinsky geht nicht der bekannten Geschichte auf den Leim, ihm geht es ums Geschichtenerzählen. Himmel und Hölle Und das kann der Sebi, der sonst zu wenig taugt. Ist er doch beim Teufels-Anneli, der wandernden Märchentante, in die Lehre gegangen, nachdem er aus dem Kloster geflohen war. Denn eine Kindsleiche beseitigen, wie der Abt es ihm befohlen hat, das wollte der Sebi denn doch nicht. Lieber gräbt er dem kleinen Leichnam im Wald ein Grab,…
„Ich kann dir alles verzeihen, nur nicht, dass du stotterst,“ sagt eine der alten Frauen, die „Der Stotterer“ in dem gleichnamigem Roman von Charles Lewinsky mit dem Enkeltrick hereingelegt hat. „Von einem Stotterer kann man nicht träumen,“ resümiert der Mann, der in diesem Buch sein Leben erzählt. Dieser Johannes Hosea Stärkle kann zwar keinen geraden Satz sprechen, dafür fließen ihm die Worte beim Schreiben geradezu aus der Feder. Der Stotterer leidet an Schreib-Loghorroe, einer krankhaften Geschwätzigkeit. Vom Stotterer zum Bestseller-Autor Er schreibt nicht nur sein Leben auf – in Briefen an den „Padre“, wie er den Gefängnispriester nennt, und in einer Art Tagebuch. Nein, er erfindet auch Geschichten als eine Art „Fingerübung“ und beteiligt sich an einem Schreibwettbewerb. So erfolgreich, dass er zum Bestsellerautor werden könnte. Wobei auch diese Karriere einer großen Intrige zu verdanken ist, denn der Stotterer ist ein Meister der Manipulation. Mit seinen Briefen hat er den Padre dazu gebracht, ihm einen Job in der Bibliothek zu verschaffen, wo er zum Drogenkurier eines Mafia-Advokaten avancierte und später zum Schreiber fingierter Liebesbriefe. Darin war er schon als Schüler ein Meister. Er weiß um die Macht des Wortes, und er hat keine Skrupel, davon zu profitieren. In der Grauzone…