Symphonie der Liebe

26. Februar 2025

Takis Würger ist ein Wort-Zauberer. Dem ehemaligen Spiegel-Redakteur gelingt es in seinem neuen Roman „Für Polina“, das Lebenselixir Musik auch für Musikmuffel begreifbar zu machen – am Beispiel des jungen Hannes, der sich nach seiner verlorenen Liebe verzehrt:

„Hannes spielte, und die Menschen hörten ihn, als hörten sie Licht. Die Besucher des kleinen italienischen Nudelrestaurants auf der anderen Straßenseite verstummten, erst verdutzt, dann ergriffen. Die Studentinnen auf dem Weg zum Philosophieseminar verlangsamten ihre Schritte, kamen näher und blieben stehen. Die Kellner vergaßen ihre Bestellungen, die Babys in ihren Kinderwagen lauschten. Es war keine Zauberei. Oder vielleicht doch. Wann war Musik jemals etwas anderes als Zauberei?“

Bescheidenes Dasein

Für Hannes ist dieses Spiel tatsächlich Zauberei, denn es stellt sein Leben auf den Kopf. Nachdem seine alleinerziehende Mutter Fritzi von einem Baum erschlagen worden war, hatte er sich eingerichtet in einem bescheidenen Dasein ohne große Erwartungen. Der schmächtige Kerl, der früher gern am Klavier saß – am liebsten mit Polina – hatte sich als Klavierträger verdingt. Heimlich stimmte er auch die schönen – verstimmten – Flügel. Bosch, der ungleich kräftigere Trage-Partner, war ihm zum Freund geworden. Und die Ärztin Leonie hatte ihm ein Heim geboten.

Leben ohne Musik

Doch Hannes fühlte sich unvollständig. Ihm fehlte Polina, das Mädchen, mit dem er fast symbiotisch in einem verwunschenen Haus im Moor aufgewachsen war. Hier hatte er auf einem alten Klavier für Polina seine schönste Musik gespielt, damals als seine Mutter noch am Leben war. Ohne sie gab es auch keine Musik mehr in seinem Leben:

„Erst Jahre später würde jemand fragen, warum er überhaupt Klaviere tragen wollte, statt das zu tun, wozu er offenkundig geboren worden war. Die Antwort war ein Gefühl, das Hannes nicht hätte in Worte fassen können: Musik zu machen, wie früher im Moor, als er glücklich gewesen war, ohne je darüber nachzudenken, was Glück bedeutete, so zu spielen wie damals, das er füllte ihn mit einer alles verschlingenden Trauer. Er konnte kein Klavier mehr spielen, weil sein Leben in dem Moment den Takt verloren hatte, in dem seine Mutter gestorben war.“

Der Wendepunkt

Doch nach dem – überraschenden – Gastspiel auf der Straße, das ihn weltweit zum TikTok-Star machte, kehrt Hannes mit Hilfe von Bosch zurück ins Leben und in die Musik. Was ihm zu seinem Glück noch fehlt, ist Polina. Nur sie will er mit seinen umjubelten Konzerten erreichen – auch wenn er inzwischen begriffen hat, welche Wunder Musik bewirken kann.
Zum Schluss spielt auch noch die wundersame Geschichte um den Gorilla John Daniel und seine Ziehmutter eine wichtige Rolle. Aber das sollte man besser selbst nachlesen ebenso wie diese  große Symphonie der Liebe, die Takis Würker so zauberhaft komponiert hat.

Info Takis Würger. Für Polina, Diogenes, 294 S., 25 Euro

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