Alastair Humphreys ist „mit Fernweh geschlagen“. Der Brite hat die Welt mit dem Rad umfahren, ist durch Südindien gewandert, über den Atlantik gerudert, hat Island durchquert, an einer Expedition in die Arktis teilgenommen, Mikroabenteuer erfunden – und ist Vater geworden. Und das ist „die schwierigste Reise seines Lebens“. Aus Rücksicht auf seine Familie will Humphreys auf die großen Abenteuer verzichten, aber einen Traum will er sich noch erfüllen: Auf den Spuren von Laurie Lee unterwegs zu sein.
Fünf Liedchen auf der Geige
Der Autor von „An einem hellen Morgen ging ich fort“ hatte 1935 die „vage Idee, durch Spanien zu wandern und seinen Lebensunterhalt durch Geigespielen zu bestreiten“. Das Problem war nur: Lees Fan konnte nicht Geige spielen. Doch Alastair Humphreys lässt sich nicht entmutigen. Er lernt Geige spielen – wenn auch mit geringem Erfolg. Aber immerhin kann er am Ende fünf Liedchen auf dem Instrument spielen. Jetzt hält ihn nichts mehr, auch nicht die Liebe zu seiner Frau und seinen Kindern.
Ein streunender Hund
„Ich musste mich die ganze Zeit beweisen“, stellt der Brite rückblickend fest. Umso mehr als er kurz vor seinem 40. Geburtstag stand. Und so macht er sich wieder auf den Weg – mit Rucksack und Geige. Was er auf seiner 800 Kilometer langen Wanderung erlebt hat und wie er mit den gerade mal 125,40 Euro, die er mit seinem Geigenspiel verdient hat, überleben konnte, das beschreibt er radikal ehrlich und mit einiger Selbstironie in dem Buch „Ein Sommer Drei Melodien Kein Talent“. „Ich war ein streunender Hund, ein ungeliebter Köter, unbeachtet, frei“, steht da zum Beispiel oder „Touristen – und das sind wir bisweilen alle – sind eine dumme Spezies, ohne freies Denken oder Mitgefühl“.
Das Glück der Straße am frühen Morgen
Aber die meiste Zeit ist Alastair Humphreys mit sich im Reinen und genießt die Natur, die für ihn allein da zu sein scheint: „Ich wünschte, ich könnte das Glück der Straße am frühen Morgen abfüllen.“ Dieses Glück des Unterwegsseins trotz aller Entbehrungen und der schmerzenden Füße, trotz Regen und Kälte, das spricht aus vielen Seiten dieses Buches und zieht die Leser hinein in die Gedankenwelt des Abenteurers und Outdoor-Fans. Man begleitet ihn gern auf seinem langen Weg, auf dem ihm viele freundliche Menschen begegnen, „Fremde, die Freunde werden“. Und man nimmt Anteil an seinem inneren Zwiespalt, der Liebe zur Familie und der Leidenschaft für Abenteuer.
Info: Alastair Humphreys. Ein Sommer, drei Melodien, kein Talent, DuMont, 260 S., 14,95 Euro.
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