Als Reiseführer taugt dieses Buch nicht, eher als Reisebegleiter für lange Abende oder Zugfahrten. 25 Autoren setzen sich mit dem Thema Reisen auseinander. Wobei sie Reisen ganz unterschiedlich interpretieren. Nicht immer geht es um Fortbewegung, um Urlaub von Zuhause oder vom Alltag. Vieles spielt sich auch nur im Kopf ab, in der Erinnerung. Zeitreisen sind dabei, Traumreisen und Geschichten zwischen Raum und Zeit, philosophische Betrachtungen, Surreales.
Buchstäblich durch die Wand
So hat Terézia Mora, Büchnerpreisträgerin 2018, eine poetische Wegbeschreibung verfasst, die am letzten Haus eines Ortes in Österreich beginnt und ein kleines, weißes Haus in Ungarn zum Ziel hat. Eine Reise durch Grenzgebiete, über eine Staatsgrenze, einmal buchstäblich durch eine Wand. Auch Corona spielt eine Rolle. Lutz Seiler (Kruso, Stern 111) etwa erzählt von einer Reise in Pandemie-Zeiten nach Schweden zu seiner Liebsten – mit Checkpoints und Durchreiseverboten.
Stress beim Reisen
Dass Reisen nicht nur eitel Wonne bedeutet, sondern auch Stress, kann man aus einigen der Geschichten auch herauslesen. Die vier Menschen etwa, die sich im Urlaub zum Partnerwechsel verabreden, sind hinterher nicht mehr dieselben. Das Ehepaar, das vergeblich versucht, einen überdimensionierten Koffer ins Auto zu laden, ist noch vor der Urlaubsfahrt heillos zerstritten. Und die beiden Freundinnen, die sich in Griechenland auf ein Abenteuer mit einem Fremden einlassen, verlieren sich danach aus den Augen. Im Ferienresort ist für alles gesorgt, und trotzdem können sich die Eltern nicht wirklich erholen, und der kleine Sohn wundert sich.
Bilder im Kopf
„Die klassische Reise gibt es nicht mehr“, schreibt Herausgeberin Hanna Hesse im Nachwort. „Reisende des 21. Jahrhunderts haben von jedem Ort bereits vor ihrer Ankunft Bilder im Kopf… Auch seine unwissende Unschuld hat das Reisen verloren, denn da gibt es ja noch den eigenen CO²-Abdruck, die Frage nach der ethischen Verantwortung, das Wissen um den Klimawandel und Pandemien.“
Viel Raum für Fantasie
Die 25 Geschichten im Buch sollen dagegen den Blick für die Gegenwart schärfen. Das tun sie auch – die einen mehr, die anderen weniger. Manche kommen ziemlich abstrakt daher, andere lassen viel Raum für Fantasie. Die eine oder andere Geschichte aber bleibt hängen.
Info Hanna Hesse (Hrsg) Ansichtskarten – 25 Geschichten über das Reisen, Knesebeck Stories, 344 S., 25 Euro
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