„Es geht mir gut“, sagt Kathleen zu ihrem Mann Virgil, als er sich mit den Söhnen bereit zum Kirchgang macht. So harmlos fängt das an, was die Familie an den Abgrund führen wird. Knappe 160 Seiten braucht Jessica Anthony, um eine Ehe zu dekonstruieren.
Weibliche Selbstversicherung
„Es geht mir gut“ ist auch der Titel dieses Romans über einen verblüffenden Akt weiblicher Selbstversicherung. Kathleen und Virgil leben in einer scheinbar glücklichen Partnerschaft. Wie die meisten Frauen in ihrer Umgebung hat Kathleen sich ihrem Mann untergeordnet, hat ihre sportliche Laufbahn beendet, sich der Familie gewidmet. Auch die frühere Liebelei mit dem Kommilitonen Billy hat sie verdrängt, um mit dem „unkomplizierten“ Virgil eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Doch so recht hat das nie geklappt.
Frust in der Ehe
Wohl auch nicht für Virgil, der sich für den Frust in der Ehe mit zahlreichen Seitensprüngen entschädigt, während Kathleen mit Billy an die alten Zeiten anknüpft: „Keiner von beiden machte eine Bemerkung zu ihrer Heirat, aber beide saßen da und wussten, dass sie schlicht und einfach nichts bedeutete.“
Katastrophales Fazit
All das wird Kathleen an jenem Sonntag klar, an dem sie sich weigert, mit in die Kirche zu gehen. Statt dessen fühlt sie sich magisch angezogen von dem – nie genutzten – Gemeinschaftspool. Und während sie im Wasser plantscht, zieht sie ein katastrophales Fazit ihrer Ehe: „Acropolis Place, dachte Kathleen, während die Stunden vergingen. Woher hätte sie wissen sollen, dass es eine schäbige Wohnanlage mit lauter alten Leuten war?…In dem Moment, in dem Kathleen 14 B betreten und einen Blick auf die trostlose kleine Küche und den grünen Teppischboden mit einem Fleck neben dem offenen Kamin geworfen hatte, war ihr, wenn auch niemandem sonst n der Familie, klar gewesen, dass sie jetzt vom Tod umgeben waren.“
Und die Konsequenz?
Es wird noch einiges hochkommen, während Kathleen ausdauernd im Pool schwimmt. Wird sie die Konsequenzen aus ihren Gedankenspielen ziehen? Hat diese Ehe noch eine Chance? Jessica Anthony spitzt ihren aufregenden Kurzroman so zu, dass man ihn kaum aus der Hand legen kann. Aber Vorsicht: Dieses Psychogramm einer Ehe ist so scharfkantig, dass es einschneidende Veränderungen nach sich ziehen kann.
Info Jessica Anthony. Es geht mir gut, aus dem Amerikanischen von Andreas Stumpf und Gabriele Werbeck, Kein & Aber, 160 S., 23 Euro
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