Nacktheit hat längst Eingang in die Kunst gefunden, eindrucksvoll in der aktuellen „Maria Stuart“-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen, in der 30 nackte Männer ein lebendes Labyrinth bilden. Oder beim Fotografen Spencer Tunick, der seine Landschaften mit Nackten inszeniert, Bodyscapes genannt. Marc Engelhardt war einer davon. Nun hat der Auslandskorrespondent ein Buch über „eine Reise zu den unverhüllten Kulturen unserer Welt“ geschrieben.
Irreführender Titel
Das peinlichste an dem Buch ist der Titel. „Ich bin dann mal nackt“ erinnert nicht nur an Hape Kerkelings Superseller „Ich bin dann mal weg“, sondern führt auch noch in die Irre. Denn diese 14 Kapitel zwischen Wipperfürth und New York sind weit mehr als ein amüsanter Erlebnisbericht. Marc Engelhardt hat sich nicht nur selbst in der Naturisten- und Nudistenszene umgesehen, er hat sich auch in die philosophischen und politischen Hintergründe eingelesen. Die Idee zum Buch, so schreibt er im Vorwort, war: „einmal die Welt zu bereisen, den unverhüllten Kulturen und Traditionen auf dem Globus hinterher“.
Nackt im Wald und im Museum
Was er herausfand: „Nackt sein, das ist ein globaler Trend“ – auch wenn das einzige Nacktrestaurant in Paris schon wieder geschlossen ist. Mal wird die Nacktheit als Lebenskunst empfunden, mal als Protest, mal als Ausnahmezustand. Doch immer sind die Erfahrungen spannend, ja unterhaltsam – ob auf Rügen am Ostseestrand, auf dem Schiff bei einer Nacktkreuzfahrt, beim Nacktwandern im deutschen Wald oder bei einer Nacktvisite im Museum.
Vom Hamam zum Saunabus
Weniger überraschend ist die Tatsache, dass man auch im Orient hüllenlose Erlebnisse haben kann – im Hamam. Oder dass in der finnischen Sauna nackt geschwitzt und danach gebadet wird. Doch wer weiß schon, dass am Polarkreis ein Saunabus seine Runden dreht oder dass oberhalb des Salonkijärvi-Sees eine Sauna aus Eisblöcken steht? Dass es einen Tag des Nacktgärtnerns gibt? Engelhardt mag solche Kuriosa, er mag auch schräge Typen. Auch das macht die Lektüre seines Buches zu einem Lesespaß, wobei der Autor sich zwar selbst nackt macht, aber seine Gesprächspartner nie der Lächerlichkeit preisgibt. Im Gegenteil.
Beweggründe für ein nacktes Dasein
Er will die Beweggründe für ein nacktes Dasein auf Zeit erfahren, will wissen, warum die Menschen sich ihres nackten Körpers schämen und seit wann das so ist. Am Ende macht er noch einen Abstecher zum Monte Verità, wo Künstler, Aussteiger und Naturapostel ihr (nacktes) Paradies zu finden hofften. Was also bewegt die Nackten? „Den einen ist Nacktheit ein Kampf, den anderen ein Fest. Dabei geht es immer um Grundsätzliches: um Körperbewusstsein, Eigenliebe und Selbstbestimmtheit, um Toleranz und – letzten Endes – um Glück.“
Ob er oder sie das nackt findet, muss wohl jeder und jede selbst entscheiden…
Info Marc Engelhardt. Ich bin dann mal nackt, Goldmann, 280 S., 14 Euro
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