Eine schöne Idee hat Jan Kammann da gehabt. Als Lehrer für Englisch und Erdkunde in internationalen Vorbereitungsklassen unterrichtet der knapp 40-Jährige Schüler aus über 20 Nationen. Weil er mehr über die kulturellen Hintergründe seiner Schüler wissen wollte, nahm er sich ein Sabbatjahr und bereiste die Heimatländer seiner 10d. Nicht mit einem kommerziellen Reiseführer, sondern mit ganz persönlichen Anleitungen und Tipps seiner Schüler für ihre jeweiligen Herkunftsländer. Er nimmt das Klassenzimmer quasi mit auf die Reise.
Mongolische Gastfreundschaft und mörderischer Roadtrip
Und so taucht der Lehrer ein in den Alltag der Menschen im Iran, im Kosovo oder auf Kuba, besucht Armenviertel in Kolumbien, erlebt mongolische Gastfreundschaft in der Jurte, einen mörderischen Roadtrip in Armenien und begegnet der Hölle in der Taxic City von Accra, wo Elektroschrott ausgeweidet wird. Das Leid der Arbeiter lässt Kammann nicht kalt: „Die Minister in Accra haben diese offene Wunde ihrer Stadt ständig vor Augen. Jeder über sein Bier gebeugt, fragen wir uns mehr oder weniger sprachlos, in was für einer Welt wir eigentlich leben. Eine Antwort finden wir nicht.“
Andere Kulturen, anderes Leben
Auch sonst fallen Antworten nicht immer leicht. Und immer dann, wenn er befremdet ist von den Sitten und Gebräuchen im Gastland, denkt er an sein Klassenzimmer und daran, wie schwer es seinen Schülern fallen muss, in Deutschland wirklich Fuß zu fassen. Auch sie müssen ja lernen, sich in einem völlig anderen Kulturkreis zurecht zu finden. Und das ist ganz schön viel verlangt, wie Kammann auf seiner langen Auszeit erfahren hat. Seine sonstigen Eindrücke sind so banal wie wahr, manchmal würde man sich ein bisschen weniger Oh‘s im Iran und ein bisschen mehr politische Hintergründe wünschen.
Ein erfrischend anderer Reisebericht
Andererseits nimmt dieser erfrischend uneitle Reisebericht die Leser nicht nur mit auf spannende Reisen, sondern auch zu den Schülern aus den bereisten Ländern und zu ihren Problemen in unserem Land und im deutschen Klassenzimmer. Das macht seine Besonderheit aus und die Lektüre zu einer Lehrstunde in Toleranz. Die Idee, sich von Migranten Tipps für Reisen in ihr Heimatland geben zu lassen, könnte Schule machen – und das wäre nicht das Schlechteste.
Info: Jan Kammann. Ein Deutsches Klassenzimmer – 30 Schüler, 22 Nationen, 14 Länder und ein Lehrer auf Weltreise, Malik, 302 S., 18 Euro
Keine Kommentare