Cy Baxter, der Social-Media-Mogul im neuen Roman „Going Zero“ von Anthony McCarten könnte Elon Musk nachempfunden sein oder auch Mark Zuckerberg. Auf jeden Fall ist er ein Technologie-Freak, der von den Überwachungsmöglichkeiten seiner Firma Fusion nicht nur überzeugt, sondern geradezu begeistert ist. Um seine 360-Grad-Datenbank zu propagieren, bietet er der CIA eine Wette an: Zehn Menschen – fünf Internet Profis und fünf Laien – sollen versuchen, sich 30 Tage lang dem Netz zu entziehen. Wer nicht gefunden wird, kassiert drei Millionen Dollar. Sollte es aber keinem der Probanden gelingen, unentdeckt zu bleiben, will Baxter einen Milliarden-Auftrag der Regierung für das Aufspüren von Tätern, die Gewaltakte planen.
Unter dem Radar
„Go Zero“ heißt das Projekt, „Going Zero“ der Roman. Denn für die Überwachenden sollen die zehn Auserwählten unauffindbar sein, eine Nullnummer. Doch unter dem Radar zu bleiben wird schwierig. Baxter setzt ein ganzes Heer von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darauf an, die Lebensumstände der Beteiligten zu erforschen, ihre Bewegungsprofile zu scannen, ihre Vorlieben zu durchleuchten, ihre Freunde aufzuspüren.
Das Internet als Waffe
Natürlich haben sich auch die zehn Probanden einiges überlegt, um unentdeckt zu bleiben. Der eine taucht in die Obdachlosenszene ab, die andere will auf einer Segelyacht der Überwachung entgehen. Dem einen wird die gelangweilte Freundin zum Verhängnis, der anderen die Verbindung zu einem Freund. „Was ist das doch für eine ehrfurchtgebietende Waffe, die sie da gebaut haben, sagt sich Cy, und dabei haben sie gerade erst angefangen, ihr Potenzial zu nutzen. Um welche Gefahren es hier geht, versteht er besser als alle anderen. Ein Leben wird bloßgelegt, fast wie bei einem chirurgischen Eingriff am offenen Herzen.“
Eine offene Rechnung
Und doch gelingt es ausgerechnet Zero 10, einer Bibliothekarin, allen Überwachungsmethoden zu entwischen. Diese eher unscheinbare Kaitlyn Day erregt zunächst Cys Bewunderung, bringt ihn aber mit der Zeit an die Grenzen seiner Toleranz. Dann wird die Geschichte etwas kompliziert, denn Anthony McCarten bringt plötzlich einen Rollentausch ins Spiel: Kaitlyn ist für ihre Freundin Sam in den Wettbewerb eingestiegen. Und Sam hat mit der CIA und damit mit Cy noch eine Rechnung offen.
Affäre mit Folgen
In die Enge getrieben, stolpert Cy beinahe über die Affäre mit einer extrem ehrgeizigen und attraktiven Mitarbeiterin und verliert dabei die Unterstützung seiner treuen Freundin und Geliebten. Erika hat Fusion mit ihm aufgebaut und sieht mit wachsendem Entsetzen, was daraus und was aus ihrem Freund geworden ist.
Die Internet-Drohung
Sam bekommt am Ende zwar, was sie sich gewünscht hat. Aber sie bringt Cy und seine Firma nicht zu Fall: „Und so verläuft der jüngste Versuch, das Internet zu regulieren und die Macht der Privatinteressen, die es kontrollieren, zu beschneiden, wieder einmal im Sande… Cy Baxter übersteht die bisher größte Herausforderung an seine Karriere und Reputation… Blättert zweiundsechzig Millionen Dollar für ein Penthouse in Manhattan auf den Tisch. Und unterdessen entwickelt sich das Internet in aller Stille in die einzige Richtung, die es kennt; genau wie das Universum, getrieben von Kräften, die nie jemand ganz verstanden hat, expandiert es immer weiter, stündig entwickeln sich neue Elemente, Aktion und Gegenaktion, ein Wachstum, das noch über das Exponenzielle hinausgeht, ein System, das sich an Komplexität nur mit dem Menschen vergleichen lässt. Die letzte Möglichkeit, diese Expansion zu stoppen oder auch nur zu verlangsamen war im Augenblick seiner Schöpfung.“
Ende der Privatsphäre
McCarten prophezeit in diesem spannenden, aufrüttelnden Roman nicht weniger als das Ende der Privatsphäre. Die Überwachungsmechanismen sind zu weit fortgeschritten, um ihnen noch zu entkommen. Die Zukunft hat schon begonnen.
Info Anthony McCarten. Going Zero, Diogenes, 460 S., 25 Euro
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