Gefühle sind flüchtig und manchmal auch schwer nachvollziehbar. Eben ist man noch total verliebt und voller Optimismus, was die Partnerschaft angeht. Und im nächsten Moment überkommen einen Zweifel, ob der Partner wirklich der richtige ist. Dann stört selbst das, was man sonst charmant oder liebenswert findet. Kurz, man hat  gemischte Gefühle. So heißt auch der Roman von Katherine Heiny, in dem sie mit Pinzette und Skalpell die Beziehung von Graham und Audra seziert, die durch den leicht autistischen Sohn Matthew nicht ganz einfach ist.

 Wie auf einem anderen Planeten

Heiny erzählt aus der Perspektive von Graham, der eigentlich ganz zufrieden ist mit seinem Familienleben. Aber eben nur eigentlich. Audra ist Grahams zweite Frau und 15 Jahre jünger. Manchmal hat er das Gefühl, sie lebe auf einem anderen Planeten. Trotzdem oder gerade deshalb liebt er Audra. Schließlich verbindet die beiden nicht nur das gemeinsame Leben, sondern auch die gemeinsame Sorge um Matthew. Doch als Graham entdeckt, dass Audra ein Leben außerhalb ihrer Ehe hat und als Elspeth, Grahams erste Frau, wieder Zugang zu seiner Welt findet, gerät Grahams Gefühlsleben völlig durcheinander,  gemischte Gefühle eben:
„Er musste dran denken, dass Audra ein Satinnachthemd trug und Elspeth ein Tank Top und eine Pyjama-Hose angehabt hatte, und eigentlich sollte man meinen, es müsste andersrum sein. Er dachte, dass Menschen vielleicht einfach nicht zweimal heiraten sollten; das machte alles nur kompliziert.“

Das Leben geht immer weiter

Und dann wird Matthew wider Erwarten doch noch einigermaßen selbstständig, Elspeth stirbt – und das Leben geht weiter.
„Er hatte sich so lange gewünscht, Matthew möge anders sein, sich gefragt, wie man Matthew anders machen könnte, und dabei war es doch das Leben selbst, das das erledigte. Das Leben zwang einen klarzukommen. Das Leben schliff einem alle harten Kanten ab, mühsam knirschend und mahlend, und es schien ewig zu dauern, aber in Wirklichkeit ging es so schnell vorbei wie ein Buschfeuer.“
Mit viel Witz und Tempo aber auch mit viel Empathie beschreibt Katherine Heiny in „Gemischte Gefühle“ die alltäglichen Freuden und Kümmernisse eines Familienlebens. Nichts aufregendes, aber ein durchaus lesenswerter Roman mit Wiedererkennungswert.
Info: Katherine Heiny. Gemischte Gefühle, Tempo, 350 S., 20 Euro