Hymne auf die Bergwelt

25. März 2022

Die junge katalanische Schriftstellerin Irene Solà hat für ihren Roman „Singe ich, tanzen die Berge“ 2020 den Europäischen Literaturpreis bekommen: Auf wunderbare, vielstimmige Weise und in großen Bögen erzählt sie die Geschichte der Berge, die Erinnerungen an Jahrhunderte, an geologische Epochen und politische Konflikte in sich tragen, und vom Leben der Menschen in den abgelegenen Dörfern.

Ewiger Tanz der Natur

Alles ist miteinander verwoben im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen. Dafür findet Irene Solà Sätze wie Blitzeinschläge und Bilder von surrealer Wucht. Ihre Sprache ist poetisch und von einer wilden Schönheit wie die schroffen Berge der Pyrenäen. Sie trägt diesen erstaunlichen Roman, der zwischen Traum und Wirklichkeit oszilliert, in dem Wolken sprechen und Trompetenpilze. In dem Menschen leben, lieben, gebären und töten. Sagen werden lebendig, Tote erwachen zum Leben in diesem ewigen Tanz der Natur.

Doppelter  Schicksalschlag

Irene Solà stammt selbst aus einem kleinen Dorf in der Provinz Barcelona. In den Mittelpunkt ihres so vielschichtigen Romans hat sie eine Familie gestellt, die gleich doppelt von einem gewaltsamen Tod heimgesucht wird: Der Vater wird vom Blitz erschlagen, der Sohn stirbt bei einem Jagdunfall – erschossen von seinem besten Freund.

Die Macht der Wörter

Seiner Schwester Mia fehlen die Worte, um ihr Schicksal zu beschreiben.  Sie muss erst wieder lernen, wie sehr Sprache den Menschen prägt. Ihr Bruder kannte die Macht der Wörter, in einem seiner Gedichte steht der schöne Satz, den Irene Solà zum Titel ihres Romans gemacht hat „Singe ich, tanzen die Berge“.

Hineingelesen…

… in das „Gedicht für mich, Hilari!“

Ich singe dem Mond, wenn er voll ist,
runder Zahn in freundlicher Nacht
trächtige Katze.
Ich singe dem ewigen Fluss,
Seelengefährte,
wie eine Vene, wie eine Träne
Ich singe dem wachsamen Wald
voll von Fischen, Hasen, Pilzen.
Ich singe den großmütigen Tagen,
der Sommerbrise, der Winterbrise,
dem Morgen, dem Abend,
dem stillen Regen, dem wütenden Regen.
Ich singe dem Hang, dem Gipfel, der Wiese,
den Brennnesseln, der wilden Rose, dem Brombeerstrauch.
Ich singe wie einer, der den Garten bestellt,
einen Tisch schreinert,
ein Haus erbaut,
einen Hügel erklettert,
eine Walnuss isst,
eine Glut entfacht.
Wie Gott bei der Erschaffung der Tiere und Pflanzen.
Singe ich, tanzen die Berge

Info Irene Solá. Singe ich, tanzen die Berge, Trabanten Verlag, 208 S., 22 Eur

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