Ich schätze Ian McEwan und ich schätze auch sein Engagement gegen den Brexit. Aber ich fürchte, mit seinem mit heißer Nadel gestrickten Roman „Die Kakerlake“ hat er sich keinen Gefallen getan und seiner Sache auch nicht. Und leider hat sich der sonst so besonnene Autor auch noch an Kafka vergriffen.
Die Minister teilen die Herkunft des Premiers
Denn in seinem Mini-Roman wird eine Kakerlake zum britischen Premier. Und nicht nur das: „Fast jeder im Kabinett teilte seine Ansichten. Weit wichtiger aber – und bis zu diesem Augenblick hatte er nichts davon geahnt – sie teilten seine Herkunft“. Premier Jim Sams (nach Kafkas Gregor Samsa) hat also freie Hand für sein unsinniges Unterfangen, die Geldströme einfach umzudrehen: „‘Wider den Strom!‘ lautete einer der vielen unwiderstehlichen Slogans“ des Reversalismus, denen nur der Außenminister widersteht. Kein Problem für Jim Sams. Eine MeeToo-Kampagne löst auch dieses Problem. „Nichts war so befreiend wie ein engmaschiges Lügennetz. Deshalb also wurden Menschen Schriftsteller.“
Festmahl für das Kakerlaken-Kabinett
Der Schriftsteller McEwan braucht für sein Romanchen vier Kapitel. „Ein überlanger Witz“, kritelte der „Telegraph“ in Anspielung auf die grotesken Überzeichnungen im Buch, in dem auch Trump eine Rolle zukommt. Als Präsident Tupper hätte er gerne den Reversalismus als seine Idee verkauft. Bis der britische Premier ihn fragt, ob er früher auch mal sechs Beine hatte. „Schlagartig war die Leitung tot.“ Am Ende bekommt das britische Volk, was es will – und das Kakerlaken-Kabinett kann sich auf ein Festmahl freuen.
Die Wut des Autors auf den Brexit
Man spürt fast auf jeder Seite die Wut des Autors, der sich mit einer Satire Luft macht. „Ich musste mich einfach damit auseinandersetzen und meine Sicht der Dinge niederschreiben“, sagte McEwan. Eine Satire schien mir dazu der richtige Weg. Mehr oder weniger treffen hier Gelächter und Verzweiflung aufeinander.“
Info: Ian McEwan. Die Kakerlake, Diogenes,133 S., 19 Euro
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