Viveca Sten hat mit ihren Krimis um den Kriminaler Thomas Andreasson und die Juristin Nora Linde die Schären auf die literarische Landkarte gesetzt. Auch im neunten Fall der schwedischen Bestseller-Autorin spielen die Inselchen eine Hauptrolle, und wieder wird Stens Liebe zu den Schären spürbar – die Familie besitzt seit mehreren Generationen ein Haus auf Sandhamn, dort wo auch Nora wohnt und sich in der Abgeschiedenheit in Sicherheit wähnt.
Eine geprügelte Frau, ein traumatisierter Mann
Der neue Fall beweist, dass unsere Welt nirgends sicher ist. Denn der brutale Andreis Kovac ist seiner in ein Frauenhaus geflüchteten Frau immer auf der Spur. Mina hat ihn verlassen, weil er sie fast totgeschlagen hat – und sie hat ihr Baby Lukas mitgenommen. Für den gebürtigen Bosnier Andreis, dem die Familie nach den eigenen schrecklichen Erfahrungen im Bosnien-Krieg über alles geht, unverzeihlich. Womöglich haben die Kriegsereignisse Andreis erst zu dem gemacht, der er ist. Das allerdings ändert nichts daran, dass der Mann gefährlich ist – nicht nur für Mina, sondern für alle, die mit ihr zu tun haben.
Viveca Sten verschränkt Andreis‘ wütende Verfolgungsjagd mit seiner bosnischen Vergangenheit. In dem Roman treibt beides auf einen unvermeidlichen und grausamen Höhepunkt zu, das macht die Spannung im Roman fast unerträglich.
Probleme im Privaten und in der Politik
Dazwischen erfährt man viel über das zerrüttete Privatleben von Thomas Andreasson, über seine berufliche Belastung, über die Folgen staatlicher Sparsamkeit, über die Probleme der schwedischen Gesellschaft mit der Integration der Flüchtlinge und über deren Schwierigkeiten, sich in dem so fremden Land zurechtzufinden. Auch Andreis‘ Mutter und Bruder sind nach Schweden geflohen, nachdem ein Großteil der Familie brutal ums Leben gekommen war: „Selma wusste kaum , wo Schweden lag. Das Einzige, was ihr bei dem Namen einfiel, war Schnee und Dunkelheit und blonde Haare.“
Der Fall schreit nach einer Fortsetzung
Und während die Neuankömmlinge im Land das Gefühl haben, nirgendwohin zu gehören und sich oft zurück sehnen nach dem verlorenen Alltag, kämpfen die Schweden mit dem Gefühl der Entfremdung im eigenen Land. Auch davon erzählen die zwei so unterschiedlichen Fluchtgeschichten. Sten stellt beide Seiten nebeneinander, überlässt es den Lesern, sich seine eigene Meinung zu bilden. Am Ende bleibt vieles offen – auch die Zukunft von Mina und Lukas. Irgendwie scheint dieser neunte Fall geradezu nach einer Fortsetzung zu schreien.
Info: Viveca Sten. Flucht in die Schären, Kiepenheuer & Witsch, 462 S., 15 Euro
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