Für Margot Flügel-Anhalt, inzwischen 70, ist Ruhestand ein Fremdwort. Sie ist am liebsten unterwegs und das mit den unterschiedlichsten fahrbaren Untersätzen. Als Rentnerin fuhr sie mit einer kleinen Honda über den Pamir Highway, mit einem Benz bis Laos und mit einem Lada Niva zum Nanga Parbat. Über ihre Touren gibt es Filme und Bücher. Diesmal blieb die rüstige Abenteurerin in Europa. Mit einem E-Bike vom Discounter fuhr sie die Donau entlang – von der Quelle bis zur Mündung und zurück mit einem „Seniorendampfer“.
Eine Frau unter Strom
Dabei lässt sich die Rentnerin von kaum etwas schrecken. Weder von wilden Hunden noch von Regengüssen und schlammigen Straßen, auch nicht von Lastwagen, die ihr und ihrem Bike an Engstellen gefährlich nahe kommen. „Ich vertraue mir“, schreibt sie schlicht in dem Buch über dieses E-Bike-Abenteuer „Unter Strom“. Den Titel darf man getrost als doppeldeutig interpretieren. Steht doch auch die Bikerin die meiste Zeit unter Strom.
Die Bayern „ein bisschen Söder“
Zweieinhalb Monate hat Margot Flügel-Anhalt für die 2847 Kilometer lange Strecke kalkuliert. Sie will Zeit haben für den Fluss, für Entdeckungen, für Gespräche mit den Menschen. Auch da rechnet sie mit Überraschungen. Das beginnt schon in Bayern: „Ein bisschen machen sie mir Angst, die Bayern. Diese hier im Gasthof sind groß und starkgliedrig und sprechen laut. Irgendwie sind sie anders als die Leute im übrigen Deutschland. Alle so ein bisschen Söder.“
Kritische Beobachterin
Die „Frau, die reist“, als die sie so manche Menschen wieder erkennen, schreibt radikal subjektiv, auch wenn sie mit Titus Arnu einen Co-Autor hat. Doch Margot Flügel-Anhalt ist auch eine kritische Beobachterin, geht auf die Umweltverschmutzung am Donau-Ufer ein, auf das Leid der herrenlosen Hunde, auf die Armut in rumänischen Dörfern – und die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen. Als ihr Rad einen Platten nach dem anderen hat, findet sie denn auch immer wieder Helfer. Das liegt auch daran, dass sie gern auf Menschen zugeht, obwohl sie das Alleinsein schätzt.
Langsamke
Sie übernachtet in Gästehäusern, im Zelt und im „Paradies“ im Mündungsgebiet der Donau. Sie trifft Umwelt- und Tierschutzaktivistinnen und -Aktivisten und genießt bei der Heimfahrt auf dem „Seniorendampfer“ das Unterwegssein auf dem Wasser. „Die Langsamkeit, mit der ich auch jetzt reise, bringt Ruhe in mein Gemüt“, schreibt sie und dass sie manches Mal glaubte, „dass ich viel länger unterwegs sei als bei meinen anderen Reisen“.
Auch wenn hin und wieder einige selbstbezogene Reflexionen nerven, folgt man dieser Unermüdlichen doch gern auf ihren Wegen und Abwegen und wünscht ihr auch in Zukunft „noch ausreichend Kraft, all die Herausforderungen einer solchen Tour zu bewältigen“.
Info Margot Flügel-Anhalt. Unter Strom, Polyglott,240 S., 19,99 Euro
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