Die Schweiz am Pranger

9. April 2025

Ihr Roman Daily Soap  sei eine „Frustrationsverdauung“ sagte Nora Osagiobare im Interview mit dem Schweizer Rundfunk. Man kann es der Autorin nicht verdenken. Als Tochter eines nigerianischen Vaters ist sie mit dem Gefühl aufgewachsen, „dass etwas mit mir nicht stimmt“. Das prägt ihren distanzierten Blick auf die Schweizer Heimat.

Lust an der Überzeichnung

Mit ihrem Debüt  Daily Soap erregt Nora Osagiobare nicht nur international Aufsehen, sondern mit Sicherheit auch Anstoß bei Schweizer Biedermännern. Denn ihre Ich-Erzählerin Toni nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Rassismus-Erfahrungen geht. Dabei kommt der Roman dank Osagiobares Lust an der Überzeichnung so gar nicht jammernd anklagend rüber.  Eher schon lustig, wobei einem das Lachen manchmal im Hals stecken bleibt.

Verwirrende Familienverhältnisse

Ich-Erzählerin Toni schlägt sich mit ungeklärten Familienverhältnissen rum, die auch die Lesenden verwirren. Erst allmählich lernen sie zu verstehen, dass hier alle irgendwie mit allen zu tun haben. Während Toni sich in ihre Lieblings-Soap flüchtet, staunen die Lesenden über den Geschäftssinn der Unternehmerin Zita Bodeca, die nur allzu bereit ist, ihre Überzeugung dem Profit zu opfern.

Die Sache mit den Werbespots

Um sich im gesellschaftlichen Chaos zurechtzufinden, können sie immerhin auf die Auflistung der Hauptfiguren am Anfang des Romans zurückgreifen. Natürlich geht es auch hier um Liebe, Sex und Eifersucht. Schließlich gehört sich das so für eine Daily Soap. Genauso wie die Werbespots, die Nora Osagiobare zwischen die einzelnen Episoden schaltet.

Sprechende Namen

Auch die drehbuchartigen Dialoge passen gut in eine Seifenoper. Auffallend sind die sprechenden Namen: Der weiße Millionärssohn heißt Paul Banal, sein Geliebter Prince Okiti Osayoghoghowemwen. Das ist auch der Familienname der Ich-Erzählerin Toni. Der Mann ihrer Mutter Anneli ist der Bruder von Prince Okiti. Dann gibt es noch den exzentrischen Künstler Louis Efe di Cabrio und dessen Bruder Echo. Dazu Annelis Schwester, die Scammerin Frieda Killer. Und dann ist da noch „das Bundesamt für die Rationalisierung Andersfarbiger anhand von Cappuccino beziehungsweise Kaffee, kurz BARACK“.

Spiel mit dem Leser

Man merkt schon, Nora Osagiobare hat viel Spaß am Spiel mit dem Leser, dem sie einiges  zumutet – auch einen Toten. Und ein Rätsel. Die Rede ist von Wanda, der weißen Zwillingsschwester Tonis, die wohl nur in deren Kopf existiert. Es gibt noch so einiges zu enträtseln in diesem ebenso klug wie hintersinnig konstruierten Roman. Dabei sollte man die Fußnoten als kritische Metaebene nicht außer acht lassen.  In ihrer coolen Daily-Soap-Parabel legt Nora Osagiobare mit bösem Witz den latenten Rassismus und die Verlogenheit der  Gesellschaft bloß und stellt die sonst so idyllische Schweiz an den Pranger.

Info Nora Osagiobare. Daily Soap, Kein & Aber, 282 S., 24 Euro

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