Bis zum 73. Lebensjahr hat Heinz Stücke nie eine Wohnung gehabt. Jetzt ist er 84 und lebt mit seinen Erinnerungen in Hövelhof, wo er geboren und aufgewachsen ist. Bis ihn das Fernweh gepackt hat und er auf Reisen ging, um 51 Jahre lang nicht zurück zu kommen.
Zwei Weltreisende im Gespräch
Carina Wolfram hat sich dem Weltenbummler und seinem Leben schreibend genähert, auch über den Film „The man who wanted to see it all“. Und natürlich über Gespräche. Auch ein Interview findet sich im Buch. Dennis Kailing, wie Heinz Stücke Weltreisender mit dem Rad, hat sich mit dem 50 Jahre Älteren angefreundet und spricht mit ihm über die Freuden und die Gefahren des Reisens ohne Handy und GPS.
Alles andere als Urlaub
„Bücher waren für mich ein Ort der Geborgenheit, während täglich neue Ereignisse und Eindrücke auf mich warteten“, begründet Heinz Stücke die Tatsache, dass er in seinem Rucksack immer Bücher dabei hatte. Und er warnt davor, lange Reisen als eine Art Urlaub zu sehen. Man müsste ständig planen, sich neu orientieren, dürfte auch bei schlechten Erlebnissen nie den Mut verlieren. Er war immer nah dran an der Natur – und den Menschen. Davon zeugen auch die beeindruckenden Fotografien im Buch.
Das Unbekannte hinter der Kurve
Es fing alles ganz harmlos an, mit einer kleinen Radreise. Aber irgendwann unterwegs wurde ihm klar: „Ich muss alle Länder der Welt sehen“. Damals konnte er noch Länder bereisen, die heute in Kriegswirren versunken sind. Aber schon damals lauerten Gefahren durch Kriege, Revolutionen, Kriminalität. Heinz Stücke wird angeschossen, er wird angefahren und beklaut, verliert durch Leichtgläubigkeit seine ganze Habe – und lässt sich dennoch nicht entmutigen. „Es ist das Unbekannte hinter der nächsten Kurve, das mein Rad bewegt“, erinnert er sich.
Audienz beim Kaiser
Der Überlebenskünstler findet auch immer wieder eine Zuhause auf Zeit bei Menschen, die ihn einladen. Der ehemalige äthiopische Kaiser Haile Selassie empfängt ihn und gibt ihm 500 Dollar Reisegeld. Für Heinz Stücke ein Höhepunkt in seinem an Erlebnissen nicht gerade armen Leben. Mit der Zeit hat er auch herausgefunden, wie er sein Abenteuer finanzieren kann. Er verkauft für seine Reise „das einzige Produkt, das ich habe, mich selber und meine Reisen“, profitiert aber auch bei wachsender Bekanntheit von Sponsoring.
Sprachen als Türöffner
„Ich bin nicht auf der Suche nach dem Paradies“, stellt Heinz Stücke klar. Das Reisen erweitert seinen Horizont, er lernt Sprachen, um den Menschen näher zu kommen – alles als Autodidakt. Der Mann hat nie aufgehört zu lernen. Sein Leben war buchstäblich eine Reise, und was er erzählt, kann andere inspirieren. Dafür sorgen auch die vielen Fotos. Das Buch zeigt aber auch die Schattenseiten von Stückes Abenteurerleben – und das ist gut so.
Info Carina Wolfram, Nur noch kurz die Welt sehen, Delius Klasing,162 S., 24,90 Euro
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