„Von jetzt auf gleich war alles vernichtet, was ich mir vorgestellt hatte,“ sagte Daniela Krien vor Jahren in einem Gespräch über ihre behinderte Tochter. Wie ihr ergeht es der Ich-Erzählerin in Kriens neuem Roman „Mein Drittes Leben“. Linda hat ihre 15-jährige Tochter durch einen Unfall verloren. Seither ist ihr Leben zerbrochen und sie versucht, das Leben neu zu lernen.
Unterschiedliche Trauer
Die elegante Galeristin hat sich von einer alten Frau die zeitweise Übernahme eines heruntergekommenen Bauernhofes aufschwatzen lassen. Auf dem Land verändert sich Linda bis zur Unkenntlichkeit. So empfindet es jedenfalls Richard, ihr Mann. Auch er tut sich schwer, den Tod der Tochter zu verkraften. Aber an seinem Leben ändert sich kaum etwas. Immerhin hat er noch zwei Kinder aus erster Ehe. Und das nimmt Linda ihm übel.
Rückzug aufs Land
Das Dorf, in das sie zieht, ist so hässlich, dass sie das Leben dort als eine Art Strafe betrachten kann. Strafe dafür, dass sie noch lebt, während ihr Kind tot ist. Was sie nicht erwartet hat, ist, dass sie in diesem Dorf Freunde findet. Die Nachbarn, ein älteres Ehepaar mit ganz eigenen Sorgen, nehmen sie herzlich auf. Bei ihnen hat sie nicht das Gefühl, sie mit ihrem Leid zu stören. Und da ist auch noch die Hündin, der sie nichts vormachen muss. Bisher arg vernachlässigt, scheint sie Linda ohne Vorbehalt zu lieben.
Neue Perspektiven
Doch fast aus heiterem Himmel ist es vorbei mit der Idylle: Die Erben der alten Frau wollen das Anwesen selbst nutzen, die Hündin stirbt, Richard hat eine neue Frau. Das Paar beschließt, sich zu trennen, die gemeinsame Wohnung zu verkaufen. Linda muss sich ein neues Zuhause suchen, hat aber keine Geldsorgen mehr. Im Gegenteil, sie hat soviel Geld, dass sie damit auch Gutes tun kann – für ihre ehemaligen Nachbarn im Dorf und für Natascha und die behinderte Nine, die ihr ans Herz gewachsen sind.
Was von der Liebe übrig ist
Daniela Krien beschreibt, wie sich Linda Schritt für Schritt in ein neues Leben zurück tastet. Das alltägliche Umfeld wirkt wie ein Spiegel ihres Seelenzustands. Krien hat einen scharfen Blick für die Trostlosigkeit der Dorflandschaft, die anders aber nicht weniger verstörend ist als die der Stadt. Linda und Richard reihen sich ein in die Paare, die danach suchen, was von ihrer Liebe übrig geblieben ist. Und anders als andere werden sie fündig. Linda kann ihr drittes Leben beginnen.
Wiedersehen mit einer Bekannten
Wer „Die Liebe im Ernstfall“ gelesen hat, trifft in „Mein drittes Leben“ auf eine alte Bekannte: Die Schriftstellerin Brida, Richards zeitweilige Geliebte, hat Probleme mit ihrer heranwachsenden Tochter. Und während Linda in ihrer Trauer das Verhältnis zur toten Sonja idealisiert, arbeitet sich Brida an der Magersucht ihrer Tochter Undine ab. Wer weiß, vielleicht begegnen wir auch ihr in einem der nächsten Romane.
Info Daniela Krien. Mein drittes Leben, Diogenes, 295 S., 26 Euro
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