Julia liebt ihr Mum, die so euphorisch sein kann, so mitreißend fröhlich. Dass diese Euphorie auch eine andere, düstere Seite haben kann, ist ihr nicht mehr bewusst. Das letzte Mal, als ihre Mum in tiefe Traurigkeit gefallen war, ist lange her. Und jetzt hat die studierte Meeresbiologin wieder ein Ziel, sie will den Grönlandhai erforschen und dazu Gelder von Hochschulen bekommen. Wie passend, dass Julias Dad für einige Zeit einen Job auf einem Leuchtturm auf den abgelegenen Shetland-Inseln hat, wo er ein Computerprogramm fürs Leuchtfeuer schreiben sollte. Da kommt Julias Mum ihrem Forschungsobjekt näher.
Kin und der Sternenhimmel
Alles sieht auch gut aus am Anfang, auch wenn sich Julia in der Einsamkeit des Leuchtturms etwas schwer tut. Aber immerhin hat sie die Katze Nudel, und dann lernt sie auch noch den cleveren Jungen Kin kennen, der ihr den Sternenhimmel erklärt. Doch auch Kin hat seine Probleme. Die anderen Jungs mobben ihn, weil seine Familie aus Indien kommt. Und als Julia bei Kins Verteidigung den Anführer der Boygroup, Adrian, auf die eigene Mutterlosigkeit anspricht, hat sie es sich auch mit ihrem neuen Freund verscherzt.
Himmelhochjauchzend
Dabei bräuchte sie ihn jetzt umso dringender, denn im Leuchtturm geht es drunter und drüber. Julias Mum gibt Geld aus, das sie nicht hat und träumt von Forschungserfolgen, an die niemand glaubt. Instinktiv spürt das Mädchen, dass etwas ganz und gar verkehrt läuft. Die seltsame Fröhlichkeit ihrer Mutter passt so gar nicht zu den Misserfolgen bei der Suche nach dem Grönlandhai.
Zu Tode betrübt
Ein Drama nimmt seinen Lauf. Nur mit viel Glück überlebt Julias Mum ihre Verzweiflungstat. Und auch Julia hat Glück, dass sie ihre eigene abenteuerliche Suche nach dem Grönlandhai heil übersteht . Oder war es der Grönlandhai, der ihr zu Hilfe kam? Auf jeden Fall sind sie und Kin wieder Freunde, und ihre Mum hat gelernt, dass wissenschaftliche Erfolge nicht das Wichtigste im Leben sind.
Julias Einsamkeit
Kiran Millwood Hargrave findet die richtigen Worte, um Julias Stimmung zu beschreiben: „An der Universität hatte sie (die Mutter) Walforschung betrieben und einen langen Aufsatz über einen Wal verfasst, der ganz allein durch die Weltmeere schwimmt, weil er auf einer anderen Frequenz singt als seine Artgenossen. Er kann sie hören, sie ihn aber nicht. Nachdem Mum krank wurde, fühlte ich mich manchmal so einsam und allein, wie sich dieser Wal gefühlt haben musste, so als würde ich innerlich schreien.“
Stimmungsschwankungen
Und Julias Dad erklärt die Bipolare Störung seiner Frau so, dass auch Kinder nachfühlen können, worum es geht: „Es bedeutet, dass sie zwischen einem überschwänglichen Glücksgefühl und abgrundtiefer Traurigkeit hin und her schwankt. Das Glücksgefühl ist genauso gefährlich wie die Traurigkeit. Das war der Grund, warum sie geglaubt hatte, den Hai ohne Finanzierung finden zu können, ganz ohne Hilfe. Die Traurigkeit ist so schlimm, dass sie sich überhaupt nicht mehr glücklich fühlen kann und ihr alles furchtbar schwerfällt, wie wenn man durch Morast watet.“
Illustrationen zum Miterleben
Tom de Freston hat das Buch so kongenial illustriert, dass es ein Erlebnis ist, durch die Seiten zu blättern. Im Anhang finden sich interessante Informationen zum Grönlandhai aber auch zum Thema Bipolarität, der Krankheit, unter der Julias Mutter leidet. Dazu die Telefonnummern der wichtigsten Beratungsstellen.
„Julia und der Hai“ ist ein wichtiges Buch, auch weil es ohne pädagogischen Zeigefinger über eine Erkrankung aufklärt, die gern übersehen oder verschwiegen wird.
Info Kiran Millwood Hargrave. Julia und der Hai, illustriert von Tom de Freston, Loewe, 209 S., 20 Euro
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