Wer war Jack Kerouac?
Rezensionen / 18. Mai 2018

„Für Leser in meinen Alter war Kerouac unsere eigene Stimme, das Sprachrohr unserer Seele, und in meiner Erinnerung bliebt er das bis ans Ende aller Tage – denn was sins Schriftsteller anderes als der Inbegriff der Zeit, in der sie uns begegnen, und das von da an für alle Ewigkeit?“ Er war das Beatnik-Idol, ohne ihn hätte man sich einen Bob Dylan,einen Donovan, wohl nicht vorstellen können: Jack Kerouac hat mit seinem Roman „On the Road“ das Lebensgefühl der Beat Generation eingefangen. Jetzt hat Anthony McCarten mit seinem Roman „Jack“ zugleich eine Annäherung und eine Distanzierung zu und von diesem „King of the Beats“ versucht, der im Alter von 47 Jahren starb – zerstört von Drogen und Alkohol. Gefährlicher Erfolg Der Roman, der Kerouac groß machte, trieb ihn auch in den Untergang. „Unterwegs“, so die deutsche Fassung von „On the Road“ ist autobiographisch geprägt, neben Kerouac selbst treten auch seine damaligen Freunde und Weggefährten auf: Allen voran Neal Cassady als Dean Mariarty. Hinter Carlo Marx wird Allen Ginsberg vermutet, hinter Old Bull Lee William S. Burroughs. Sind diese Romanfiguren tatsächlich identisch mit ihren realen Vorbildern? Eine Frage der Identität Auch Anthony McCarten geht es in seinem Roman vor allem um…

Baldwins schwarze Familiengeschichte
Rezensionen / 2. Mai 2018

James Baldwins „Von dieser Welt“ ist eine Familiengeschichte, die für viele andere in den 1930er Jahren stehen könnte. Der schwarze Schriftsteller, der als einer der wichtigsten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhundert gilt, erzählt in dem halb-autobiographischen Roman die Geschichte des jungen John Grimes, der in die Fußstapfen seines Stiefvaters Gabriel als Laienprediger treten soll. Erweckungserlebnis in der Hinterzimmerkirche  Baldwin bettet diese Geschichte in die Gebetsversammlung in einer Hinterzimmerkirche in Harlem ein, wo der 14-jährige John sein Erweckungserlebnis erfahren soll. Zwischen dem Beginn der Andacht und Johns Kniefall schildert Baldwin in drei Kapiteln das Leben von Johns Stiefvater, seiner Tante Florence und seiner Mutter. Keine Zeit für den pubertierenden Sohn  Der Stiefvater ist ein eifernder Laienprediger, der als Fabrikarbeiter kaum seine Familie ernähren kann und von Schuldgefühlen geplagt wird, weil er seinen außerehelichen Sohn im Stich gelassen hat. Vor seiner eigenen „Erweckung“ hat Gabriel selbst keine Sünde ausgelassen. Umso strenger maßregelt er seinen Stiefsohn, diesen unsicheren kleinen Kerl, der lieber liest als sich mit Gleichaltrigen prügelt. Die Mutter ist mit dem fünften Kind schwanger und hat weder Zeit noch Geduld für die Sorgen ihres pubertierenden Sohnes, die Frucht ihrer großen Liebe. Und die Tante hat sich zwar von ihrer Familie und…

Liebe überwindet Grenzen
Rezensionen / 2. Mai 2018

Mara ist als Austauschschülerin in Taos/New Mexiko. Die 17-Jährige mit den feuerroten Haaren ist ein Mädchen wie viele andere, aber das Jahr in Taos wird sie für immer verändern. Denn statt mit ihrem Freund Nils auf Erkundungstour zu gehen, macht sie sich allein auf eine Entdeckungsreise. Nils hat eine Neue, hat ihr die Freundin gesteckt. Und Mara ist trotzig entschlossen, den Treulosen zu vergessen. Kayemo ist anders als die anderen Jungs  Das gelingt schneller als erwartet, denn am Straßenrand liest sie den verletzten und leicht verwirrten Indianerjungen Kayemo auf. Sie hilft ihm, wieder auf die Beine zu kommen – und begleitet ihn schließlich sogar in die Abgeschiedenheit der Berge, dorthin, wo Kayemo aufgewachsen ist. Längst hat sich Mara in den geheimnisvollen Jungen verliebt, der so ganz anders ist als die Jungs, die sie kennt. Kayemo lebt in und mit der Natur, betet zu Vater Sonne und hat eine Berglöwin zur Freundin.  Doch sein Leben ist alles andere als heil: Der Vater hat die Familie schon vor langer Zeit verlassen,  die depressive Mutter hat Selbstmord begangen, der demente Großvater wurde in ein Heim verfrachtet, und selbst in den Bergen ist Kayemo nicht sicher. Als Mara ihn fand, war er angeschossen worden….

Das Ende aller Sicherheit
Rezensionen / 22. April 2018

„Die Shaker waren fest überzeugt, wenn sie jede Kleinigkeit planten, könnten sie ein Stück Himmel auf Erden schaffen, einen kleinen Zufluchtsort, und die Gründer von Shaker Heights hatten genauso gedacht.“ Vergebliches Streben nach Harmonie  Doch der Himmel auf Erden bleibt wohl für ewig ein Sehnsuchtsort, auch wenn sich die Menschen noch so sehr abmühen in ihrem Bestreben nach Harmonie. Die Richardsons zum Beispiel, eine typische Familie in den Shaker Heights. Vater, Mutter und vier Kinder. Die Mutter Reporterin in einem Provinzblatt, der Vater Partner in einer Anwaltskanzlei, ein repräsentatives Haus, wohl erzogene Kinder mit besten Aussichten auf eine spätere Karriere. Eine unangepasste Frau bringt die schön geordnete Welt zum Einsturz  Und dann erscheint Mia auf dem Plan, eine Künstlerin, unangepasst, ungebunden, planlos, Mutter einer vaterlosen halbwüchsigen Tochter, Pearl. Ohne es zu wollen bringen die beiden die so schön geordnete Welt von Shakers Heights zum Einsturz. Die Veränderungen kündigen sich nicht an, sie beginnen schleichend mit den Fragen von Izzy, der jüngsten Tochter der Richardsons, nach dem Sinn des Lebens. Mit der Liebelei zwischen Pearl und dem Richardson-Sprössling Trip. Mit einem adoptierten Kind, das die richtige Mutter wieder zurück verlangt. Schließlich erregt ein Gemälde, auf dem Mia mit Pearl im Arm als…

Reinhold Messner als Comic-Held
Rezensionen / 22. April 2018

Reinhold Messner hat so ziemlich alles geschafft, was ein Bergsteiger schaffen kann: Der Sohn eines Dorfschullehrers aus dem Villnösstal hat alle 14 Achttausender dieser Welt bestiegen, er war (zusammen mit Peter Habeler) der erste Mensch, der den Everest ohne Flaschensauerstoff bezwang. Er hat in Begleitung von Arved Fuchs die Antarktis durchquert und im Alleingang die Wüste Gobi. Doch nicht genug damit, der lange ungeliebte Sohn Südtirols hat seiner Heimat eine Reihe von Bergmuseen beschert, er hat als Europa-Politiker die Positionen der Grünen vertreten und Berge von Büchern veröffentlicht. Kein Wunder, dass dieser Mann zur lebenden Legende wurde. Filme wurden mit und über ihn gedreht, – und nun hat er es auch in einen Comic geschafft. Ein komplexes Leben in drei Kapiteln Der italienische Zeichner und Buchautor Michele Petrucci hat sich daran gemacht, Messners „komplexes Leben“ als einen Comic in drei Kapiteln zu erzählen: „Der Berg“, „Die Leere“, „Der Phönix“. Wobei Petrucci nicht linear erzählt, sondern leitmotivisch den Mann porträtiert, der immer neue Herausforderungen sucht, dessen Gedanken aber immer um die eine Tragödie kreisen, die sein Leben verändert hat: Um den Tod seines Bruders Günter am Nanga Parbat. Petrucci zeichnet die beiden Messner-Brüder als Seelen-Verwandte, die unter der Knute des strengen…

Die Stumme und die Kreatur
Rezensionen / 27. März 2018

Vier Oscars hat Regisseur Guillermo del Toro für sein filmisches Fantasie-Märchen „The Shape of Water“ über eine außergewöhnliche Liebe, die alle Grenzen sprengt, eingeheimst, darunter den Oscar für den besten Film. Skrupellose Militärs Die Story ist schnell erzählt: Eine Kreatur aus dem Dschungel, halb Fisch, halb Mensch, wird während des Kalten Kriegs in ein militärisches Forschungslabor entführt, wo sie zu kriegerischen Zwecken untersucht wird. Der skrupelloser Militär Strickland, von einem noch skrupelloseren Vorgesetzten unter Druck gesetzt, lässt an dem seltsamen Wesen seine sadistischen Neigungen aus. Scheinbar hilflose Hilfstruppen Seine Gegenspielerin ist eine stumme – aber nicht taube – Putzfrau mit einem Faible für auffällige Schuhe. Elisa verliebt sich in die geschundene Kreatur. Zu ihren Hilfstruppen gehören ein als Wissenschaftler getarnter russischer Spion, der den Amerikanern das Forschungsobjekt entwenden und später töten soll und deshalb seine Rettung beschließt, Elisas schwarze Freundin und ein alternder homophiler Werbegrafiker. Eine bleierne Zeit Doch warum das Buch noch lesen, nachdem man die Geschichte kennt und womöglich den ausgezeichneten Film von Guillermo del Toro gesehen hat? Ganz einfach: Weil im Buch noch viel mehr Facetten möglich sind, weil man lesend so manche Hintergründe versteht. Die Kriegstraumata, die nur scheinbar heile Welt des Kleinbürgertums, die Hölle der…

Amour fou in der besten Gesellschaft
Rezensionen / 27. März 2018

Die Geschichte ist filmreif: Die einzige Tochter des mächtigsten Schweizers des 19. Jahrhunderts heiratet den Sohn eines Bundesrats, der mit ihrem Vater verfeindet ist. Dann verliebt sie sich in den Jugendfreund ihres Mannes, einen unberechenbaren Künstler, der ein Bild von ihr malen soll – und brennt schließlich mit ihm durch. Worauf er ins Gefängnis und sie in eine Anstalt gesteckt wird. Wenig später bringen sich beide um. Kein Roman, sondern die die wahre Liebesgeschichte von Lydia Welti-Escher (1858–1891), Tochter des Gotthard-Königs Alfred Escher, und Karl Stauffer-Bern (1857–1891). Die Tragödie aus der Sicht des Dienstmädchens  Lukas Hartmann, der vorzüglich Historisches in Romanform gießen kann, hat daraus einen Roman gemacht, in dem er die Tragödie aus der Sicht des Hausmädchens Marie Louise Gaugler erzählt. Auch dieses Mädchen gab es tatsächlich, wie Hartmann herausgefunden hat. Als 15-Jährige kam Luise in den herrschaftlichen Wohnsitz der Familie Welti-Escher. Das anfangs unbedarfte Mädchen wird zur engen Vertrauten der unglücklichen Millionenerbin, und die beiden so ungleichen Frauen nähern sich einander immer mehr an. Luises Liebe ist der Gegenentwurf zu Lydias Leidenschaft Auch Luise lernt die Liebe kennen, verzichtet aber aus Treue zu ihrer Arbeitgeberin lange Zeit auf deren Erfüllung. Erst nach dem Tod Lydias heiratet sie ihren…

Indonesien als Alptraum
Rezensionen / 27. März 2018

„Schönheit ist eine Wunde“ ist grausam und großartig, fantastisch und unbegreiflich. Ein Roman wie ein Alptraum. Der Autor Eka Kurniawan, geboren 1975 in Westjava, ist Romancier, Drehbuchautor, Blogger und Comic-Zeichner. Tatsächlich hat der Roman über fünf indonesische Frauenschicksale viel von einem – stark überzeichneten – Comic. Das Buch wimmelt von extremen Persönlichkeiten, von drastischen Ereignissen, von unmenschlichen Aktionen und unglaublichen Entwicklungen, von Geistern und Wiedergängern. Die schöne Hure von Halimunda Im Mittelpunkt steht Dewi Ayu, die schönste und beliebteste Hure von Halimunda, Abkömmling niederländischer Plantagenbesitzer, die mit über 50 Jahren ihre vierte Tochter ohne Vater zur Welt bringt, kurz danach stirbt und 21 Jahre später wieder aufersteht, um endgültig einen Fluch abzuwenden, der auf ihren Nachkommen lastet. Der Fluch der Schönheit Ihr holländischer Großvater hatte sich eine schöne junge Einheimische gewaltsam zur Konkubine gemacht, Dewis Großmutter. Sie hatte einen Geliebten, der an dem Verlust seiner Liebsten zerbrochen ist. Als er sie nach langer Zeit noch einmal in die Arme schließen kann, stürzt sie sich auf der Flucht vor den Schergen des Holländers vom Gipfel eines Berges – und fliegt davon. Ihr Geliebter folgt ihr Jahre später. Da ist er ein alter, verbitterter Mann. Die Schicksale der Schwestern Derweil wächst Ayu…

Ansteckende Dreck-Phobie
Rezensionen / 7. März 2018

Welcher Erwachsene würde sich nicht so ein Wunderding wie den Ratz-Fatz-x-weg 23 wünschen? Einen Staubsauger, der ratzfatz alles wegputzt? Aber das Ding hat eben auch seine Schattenseiten, und die bemerkt Laura zuerst. Sie und ihr kleiner Bruder Robert erkennen ihre Mutter kaum wieder. Die gute Frau Pittel mutiert innerhalb kürzester Zeit zum Putzteufel – bis zum Nervenzusammenbruch. Eigenartig, dass Gertis nervige Tante auch mit dem Wunder-Staubsauger hantiert und eine regelrechte Dreck-Phobie entwickelt hat. Ob das nur am Ratz-Fatz-weg liegt? Oder womöglich auch an den Tropfen im Goldfläschchen, das die adretten Vertreter, die immer ganz in weiß kommen,  gleich mitliefern? Bösartige Verschwörung aus dem Wüstenimperium Die drei Kinder beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen, und dabei decken sie eine bösartige Verschwörung auf, die in einem merkwürdigen Wüstenimperium geplant wird. Wie sie dorthin gelangen und wie sie es schaffen, den Klauen der Sicherheitskräfte zu entrinnen und heil wieder nach hause zu kommen, das erzählen sie abwechselnd dem Direktor ihrer Schule. Denn der Herr Glauber konnte und wollte einfach nicht glauben, was Laura und Gerti in ihrem Schulaufsatz geschrieben hatten. Die Beichte auf dem Sofa des Direktors  Nun sitzen sie jede Pause bei ihm auf dem Sofa und erzählen, wie sie…