Giancarlo de Cataldo, 1956 im italienischen Tarent geboren, ist Richter am Berufungsgericht in Rom und erfolgreicher Romanautor. Seine intime Kenntnis der römischen Gesellschaft hat ihn zu einem misstrauischen Zeitgenossen gemacht. Mit Argwohn beobachtet der die Unterwanderung demokratischer Strukturen durch Kriminelle. Auch im neuen Krimi „Alba Nera“ bildet diese Gemengelage das Gerüst für eine Mordsgeschichte um osteuropäische Huren, mächtige Bosse und intrigante Emporkömmlinge. Parallelen zu einem alten Fall Alles beginnt mit zwei Straßenjungs, die über das Schicksal eines Mädchens streiten, das nach der japanischer Fesselkunst Shibari mit bunten Seilen zu einem Paket verschnürt ist. Töten oder leben lassen? Die hinzu gerufene Polizei stellt alsbald Parallelen zu einem Mord fest, der vor zehn Jahren Aufsehen erregt hat und den die drei Jung-Polizisten Alba Doria, Sax und Gianni, genannt Biondo, gemeinsam gelöst haben. Die Last der Vergangenheit Der neue Fall bringt die drei Freunde wieder zusammen. Doch sie sind nicht mehr die selben wie vor zehn Jahren. Sax ist inzwischen mit der Tochter des mächtigen Geheimdienstbosses Cono verheiratet und Vater einer Tochter. Die schöne Alba ist gekennzeichnet von einer „dunklen Triade“, einer Mischung aus Narzissmus, Soziopathie und Macchiavellismus, die mit einer kühnen Rücksichtslosigkeit einhergeht, wie sie etwa James Bond zu eigen ist. Und…
Der ehemalige Spiegel-Redakteur und Wirtschaftsjournalist Tom Hillenbrand kann scheinbar alles: Krimis mit Luxemburg-Flair um den eigenwilligen Koch Anselm Kiefer, Science Fiction („Hologrammatica“, „Cube“) und jetzt auch noch ein Finanzthriller, der in der Welt der Krypto-Währungen spielt und nicht mit Anspielungen auf den Namensgeber spart: Montecrypto. Grundwissen zu Krypto-Währungen Das klingt kryptisch? Ist es auch. Aber keine Angst: Hillenbrand versteht sein Geschäft und vermittelt in seinem 440-Seiten-Thriller so ganz nebenbei auch Grundwissen zu den Krypto-Währungen. Schließlich muss sich auch Ed Dante erstmal in die Materie einarbeiten. Der Privatermittler und ehemalige Wall-Street-Broker nennt sich zwar Spezialist für „Financial Forensics“, hat aber wenig bis keine Ahnung von Bitcoins, Blockchain & Co. Ein lukrativer Auftrag Doch die braucht er für den lukrativen Auftrag, den die Schwester eines kalifornischen Start-up-Unternehmers für ihn hat. Der Krypto-Investor Greg Hollister ist mit seinem Flugzeug über dem Golf von Mexiko abgestürzt. Dante soll Hollisters „Schatz“ finden, den dieser womöglich in Krypto-Währungen angelegt hat. Der Heilige mutierte zum Leibhaftigen Ohne die (Nach)Hilfe der smarten Bloggerin Mercy Mondego sähe der Ermittler ganz schön alt aus: „Greg Hollister war, so erklärt Mondego, einst einer der Helden der Kryptobewegung. Ohne seine Pionierarbeit gäbe es digitale Währungen in ihrer jetzigen Form vielleicht gar nicht….
Philipp Fuge ist ein Aussteiger auf Zeit. Dass er lange unterwegs sein kann, hat er sich schon einmal bewiesen, als er von Berlin aus zum Nordkap gewandert ist. Diesmal aber will er ganz Europa von Süd nach Nord durchqueren. Am Ende sind es 6575 Kilometer, die der knapp 40-Jährige in 272 Tagen gelaufen ist. 35 Breitengrade liegen zwischen Start- und Endpunkt, sieben Länder, vier Jahreszeiten und 267 Schlafplätze. Wandern mit kleinem Budget Von Tarifa aus ist der Arzt im Januar losgelaufen, und als er am Nordkap ankommt, ist es Herbst. Der Mann hatte es nicht eilig; es war ihm wichtiger, bei seiner Wanderung durch Europa keinen Kilometer auszulassen. „Mein Ziel ist das Unterwegssein“ schreibt er in seinem Buch. 500 Euro an Ausgaben hat er pro Monat kalkuliert. Das Budget ist in Spanien noch relativ einfach einzuhalten, im teuren Skandinavien wird es schwieriger. Vom Regen in die Traufe Auch das Wetter verändert sich unterwegs. Wölbt sich in Spanien und Frankreich meist ein blauer Himmel über dem Wanderer, kommt er auf dem weiteren Weg immer öfter vom Regen in die Traufe. Doch Regentage können Fuge nicht erschüttern, schon eher der Müll, durch den er am Rand von spanischen Straßen wandert, Quälgeister wie…
Was kann Heimat für einen Weltreisenden wie Andreas Altmann sein? Ein paar Erklärungsversuche des Autors: „Mein Hauptwohnsitz ist die deutsche Sprache, nebenbei wohne ich in Paris.“ „Sprache als Heimat, gefährliche Heimat, allerschönste Heimat.“ „Freunde sind Heimat.“ „Heimat ist ein wunderschönes Wort. Wie warm es schwingt.“ „Selbstverständlich ist eine Frau Heimat.“ „So eine spirituelle Heimat (im Zen-Kloster) gefiel mir, sie war unsentimental und melancholisch, frei von Vergötzung.“ „Mein Körper, meine Heimat.“ „Der Mensch braucht Menschen als Heimat.“ Ein schwieriger Begriff Man sieht, selbst ein redegewandter Globetrotter wie Altmann tut sich nicht leicht mit dem Begriff, auch wenn er so schön warm schwingt. Und doch ist der Autor überzeugt davon, dass er der Richtige für diese „Gebrauchsanweisung für Heimat“ ist: „Dass dieses Buch ein Heimatloser schreibt, ist eine gute Idee. Sagen wir, er hat seine ‚natürliche‘ Heimat verloren, nein, er hat sie verlassen. Im Laufschritt, fluchend, unter Tränen der Freude, unter Tränen frisch bezogener Prügel.“ Typischer Altmann- Sound Sein Geburtsort Altötting ist für Altmann alles andere als Heimat, dieser bayerische Wallfahrtsort ist für ihn Erinnerung an die Schrecken seiner Kindheit in einem bigotten Elternhaus. Also musste er sich eine andere Heimat suchen, und er fand sie in der Welt. Darüber schreibt er…
Ein Garten macht angeblich glücklich. Zumindest glauben das Großstädter wie Sebastian Lehmann, den es auf dem schönen Freiburg nach Berlin verschlagen hat. Reisen ist derzeit gar nicht oder nur eingeschränkt möglich. Kein Wunder, dass Schrebergärten gefragt sind wie selten zuvor – auch in Berlin. Sebastian Lehmann und seine Freundin hätten auch gern so eine stadtnahe grüne Lunge gehabt, aber die war kaum zu bekommen. Der Wilde Westen von Brandenburg Also führt sie die Flucht aufs Land weiter raus ins Grüne, bis nach Brandenburg, „das ein wenig so aussieht wie der Wilde Westen“. Hier finden die beiden Wahl-Berliner, die der süddeutschen „Kleinstadt-Spießigkeit“ in die Party-Hauptstadt entflohen waren, eine Datsche mit Gartengrundstück an einem See: Auslauf in der Natur, wie ihn der „Kleinkünstler, der Kleingärtner werden will“ erträumte. Doch so ein Garten will gepflegt, so eine Datsche saniert werden. Das Pärchen landet ziemlich schnell auf dem harten Boden der Realität und muss erkennen: „Jahreszeiten, die in der Stadt Kulisse sind, erfährt man im Garten am eigenen Leib.“ Noch dazu die Wetterunbilden. Regengüsse und Trockenheit machen den „Mein-Schöner-Garten-Ambitionen“ der Freundin immer wieder den Garaus, und der Kleingärtner fühlt sich immer mehr wie Sisyphos – nur nicht glücklich. Zwischen Witz und Melancholie Sebastian Lehmann…
Was für ein Buch: Sasha Filipenko, 1984 in Minsk geboren und in St. Petersburg lebend, hat das belarussische Drama in einen Roman gegossen, der niemand kalt lassen kann. Zu gegenwärtig sind noch die verzweifelten Demonstrationen gegen Lukaschenko auf den Straßen von Minsk. „Meine inständige Hoffnung ist, dass diese Buch in meinem Land eines Tages nicht mehr aktuell sein wird“ schreibt der Autor im Vorwort. Keine Hoffnung auf Freiheit Es sieht nicht danach aus, als würde diese Hoffnung bald in Erfüllung gehen. Es sieht eher danach aus, als würde das Land unter dem ungeliebten Diktator weiter im Koma dahinsiechen, als würde alles bleiben wie es ist. Keine Aussicht auf Veränderung, keine Hoffnung auf Freiheit. Filipenko hat dafür Bilder gefunden, die haften bleiben. Angepasstes Leben Im Zentrum des Romans steht der 16-jährige Franzisk Lukitsch, der bei seiner liebevollen aber strengen Babuschka aufwächst und in einem staatlichen Gymnasium Cello lernt. Die Lehrer sind angepasst, unterrichten nach staatlicher Interpretation, andere haben keine Chance. Franzisk und seine Freunde sind es leid, wollen Spaß haben, die Jugend genießen, das Leben feiern. Doch bei einer Massenpanik wird der Junge schwer verletzt und fällt ins Koma. Die Hoffnung der Babuschka Obwohl der behandelnde Arzt und spätere Mann der…
In Querweltein geht es um Kurztrips und Fernreisen, vor allem aber um Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit war auf der digitalen Reisemesse ITB in Berlin das Wort der Stunde. Und doch scheint es beim Reisen weiterzugehen wie bisher. Die 20 Autorinnen und Autoren, die den Herausgebern Pia Wieland und Tobias Ertel in dem originell aufgemachten Buch Querweltein ihre persönlichen Reiseabenteuer schildern, sind da allerdings anderer Meinung. Sie bevorzugen Bahn und Rad, womöglich auch Esel und Pferd und sind auch gern zu Fuß oder per Autostopp unterwegs. Plädoyer für die Langsamkeit Für Billigflieger & Co haben sie nur Verachtung übrig. „Fliegen und Umweltschutz vertragen sich nicht“, macht der Grüne Marcel Roth klar. Nachhaltig reisen und damit auch langsamer bringt nach Meinung der Herausgeber die Wertschätzung für die Welt zurück. „Es kommt auf die Art und Weise an, auf die Langsamkeit und Intensität des Reisens und des Augenblicks.“ Ein ganz besonderes Transportmittel stellt die Allgäuerin Marie Eckart vor, den Fahrradbus. Bei seiner Geschwindigkeit, schreibt Eckart, komme ihre Seele gut mit. Die Reise darf nicht zur Kulisse werden Nachhaltig reisen, das wird schnell klar, ist langsamer, entschleunigend. Fünf Monate war der Arzt Philipp Fuge wandernd unterwegs und hat dabei nicht nur in einer lebensfeindlichen Gegend „eine…
Nicht mehr lang, dann ist Ostern. Doch was soll der Osterhase in diesem Jahr ins Nest legen – außer Schokoladeneiern? Ich hätte da eine Idee. Viele Kinder haben in Corona-Zeiten gelernt, zu Hause zu arbeiten. Den Schulstoff aufzuholen ist trotzdem nicht einfach. Und manche wollen auch mehr wissen über unsere Zeit und ihre Probleme. Oder über sich selbst. Hier sind ein paar Sachbücher, die ich dem Osterhasen gern in die Pfoten legen würde: Ein Virus kommt selten allein Wer wissen will, was eine Pandemie ist oder warum die Coronaviren – ja, davon gibt es viele – „die Intelligenzbestien unter den Viren“ sind, kann sich mit den Biologen Karsten Brensing und Katrin Linke in „Die spannende Welt der Viren und Bakterien“ (Loewe, 192 S., 16,95 Euro, ab 10). Wissbegierige Kids ab 9 erfahren hier, warum Viren keine Lebewesen, sondern Miniroboter sind und warum Bakterien nicht nur schlecht sind, was man unter Herdenimmunität versteht und was an einer RNA-Impfung anders ist. Alle Erklärungen sind kindgerecht, helfen aber vielleicht auch Erwachsenen weiter. Konkrete Nachhilfe gibt‘s durch witzige Illustrationen, Infokästen und Experimente. Ein Super-Nachschlagewerk für kleine und große Menschen, das nicht nur der Virologe Christian Drosten toll findet. Politik ohne viel Worte Politik ist…
1962 waren die Pocken in Deutschland fast ausgerottet, da brachte ein Monteur die Krankheit aus Indien in die Eifel. Es ist eine fast vergessene Geschichte, die Steffen Kopetzky in seinem neuen Roman Monschau aufgreift. Und sie erinnert in vielem an das, was wir derzeit mit Corona erleben. Denn auch damals sorgten Fehleinschätzungen für die Ausbreitung, auch damals war es ein mutiger Arzt, der mit drastischen Maßnahmen die Epidemie zu überwinden half. Zwei Ärzte gegen die Pocken Steffen Kopetzky, der für seine Bücher („Grand Tour“, „Propaganda“) immer viel recherchierte, nennt diesen Arzt beim richtigen Namen: Günter Stüttgen. Auch für den jungen Helden seines Buches, den kretischen Assistenzart Nikolaos Spyridakis hat er ein Vorbild: Constantin Orfanos, im ersten Jahr Arzt, erklärte sich bereit, sich als „Pockenbeauftragter“ für vier Wochen bei der Firma Junker einzuquartieren. Eine Liebe über Grenzen hinweg Rither heißt die Firma im Roman, und die verwaiste Alleinerbin Vera, eine junge emanzipierte Frau, ist – anders als die erkrankten Patienten – wohl Kopetzkys Phantasie entsprungen. Denn der Autor wollte nicht nur die Geschichte einer Seuche schreiben, sondern auch eine Liebesgeschichte, die kulturelle und gesellschaftliche Grenzen sprengt. Der kretische Arzt, der als Kind die Gräuel der deutschen Besatzung miterlebt hat, und die…
Bipolar umschreibt ein Krankheitsbild, eine psychische Störung, die dazu führt, dass die Stimmung zwischen himmelhochjauchzend und am Boden zerstört schwankt. Das Leben ist aus dem Gleichgewicht geraten. Marilu, die Namensgeberin des Romans von Tania Witte, ist bipolar. Und ein typischer Fall. Denn solche Menschen können in der manischen Phase durchaus charismatisch auf andere wirken und sie auch manipulieren, während sie in der depressiven Phase von Selbstmordgedanken heimgesucht werden. Seelenverwandte in der Krise Im Spannungsfeld zwischen Euphorie und Trübsinn fällt es ihnen aber auch schwer, ein „normales“ Leben zu führen. Elli lernt Marilu in einer psychiatrischen Klinik kennen, in der sie wegen eines unüberwundenen Traumas behandelt wird: In problematischen Situationen „versteinert“ sie buchstäblich. Die beiden Teenager erkennen einander als Seelenverwandte und schließen eine tiefe Freundschaft, die in einem Schwur unterm Sternenhimmel gipfelt. Doch Elli überwindet ihre Krise, findet Halt bei ihrem Freund Tom und will am liebsten alles hinter sich lassen – auch Marilu. Ein Rennen gegen die Zeit Doch sie hat die Rechnung ohne die Freundin gemacht. Marilu will sich nicht abfinden mit der Entfremdung und lockt Elli mit einer nur leicht verhüllten Selbstmorddrohung auf eine gefährliche Schnitzeljagd. Begleitet werden soll sie dabei von Marilus jüngerem Bruder Lasse. Beide, so…