Vergewaltigt
Rezensionen / 21. Mai 2021

„Warum hast du nicht geschrien?“ fragte die Freundin, der Sophie Hardcastle von der Vergewaltigung durch ihren Freund erzählte. „Warum hast du nicht geschrien?“ fragt auch einer der Mitsegler auf dem Boot, nachdem Olivia verstört auftaucht. „Unter Deck“ so der Titel des Romans greift diese oft gestellte Frage auf und beantwortet sie auch. Was hätte es genutzt, wenn sie geschrien hätte, denkt Oli. Unter Deck hätte sie keiner gehört. Und wie ihr bleibt sexuell bedrängten Frauen oft der Schrei im Hals stecken. Dem Meer verfallen Olivia, die schon von ihrem Freund Adam gegen ihren Willen zum Sex „verführt“ worden war und sich dann von ihm trennte, hätte es eigentlich besser wissen müssen. Doch nach einer überaus harmonischen Erfahrung mit dem alten Mac und seiner charismatischen Freundin Maggie auf See, ist sie der Magie des Meeres verfallen und kommt vom Segeln nicht mehr los. Deshalb heuert sie auch auf dem Segelschiff von Vlad und seinen Kumpanen an. Fünf Männer und eine Frau Alle auf den ersten Blick ziemlich sympathisch, ja attraktiv. Vor allem von AJ fühlt sich Olivia angezogen, auch wenn es Cam ist, der ihr ganz offen Avancen macht. Nach einer gemeinsamen Nachtwache passiert es dann: AJ nimmt sich, was er…

München auf der Zunge
Rezensionen / 21. Mai 2021

Jetzt ist es soweit: München öffnet, und nicht nur die Gastronomen freuen sich. Doch wohin zuerst? Da kommt Hannelore Fisgus mit ihrem Buch über Münchens Gastroszene gerade recht. Aus rund 2700 gastronomischen Betrieben in der bayerischen Landeshauptstadt hat die Rundfunk-Journalistin zwei Dutzend herausgesucht, die mehr bieten als Weißwürste, Wurstsalat & Co. Appetitlicher Genuss-Streifzug Natürlich spielt bei dem Genuss-Streifzug, den Ingolf Hatz appetitlich in Szene gesetzt hat, auch typisch Bayerisches wie Leberkäs eine Rolle. Dazu gibt‘s sogar ein Rezept zum Selbermachen. Und ohne Brezen geht gar nichts, in diesem Fall kommen sie aus der Hofbräuhaus-Kunstmühle und werden noch von Hand geschlungen. Aber Fisgus geht auch mit der Zeit: Aus dem Bodhi im Multi-Kulti-Viertel Westend kommen die Rezepte für Tofu-Bratlinge oder eine vegane Quiche und aus der Senioren-Backstube Kuchentratsch ein veganer Rote-Bete-Schoko-Kuchen. München von früh bis spät Bei ihrer Suche nach Münchner Schmankerln war Fisgus emsig unterwegs – in Hinterhöfen und auf dem Viktualienmarkt, im Schlachthof und in Brauereien, in Hotspots und in der Vorstadt. 40 Rezepte hat die begeisterte Hobbyköchin dabei zusammengetragen und außergewöhnliche Menschen porträtiert. Los geht‘s mit dem Frühstück im „Franzosenviertel“ beim Bio-Bäcker und nach getaner Arbeit lockt das Kubaschewski am Stachus zu „Schampus und Schmarrn“. Ramen-Suppe und Prinzregententorte…

Mehr Pfützen braucht das Land
Rezensionen / 11. Mai 2021

„Noch ist es für unsere Heimat Natur nicht zu spät“, resümiert Jan Haft am Ende des ersten Kapitels seines gleichnamigen Buches. Der Natur- und Tierfilmer will die Leser wieder das Staunen über die Mannigfaltigkeit der Natur lehren – angefangen bei den kleinsten und unscheinbarsten Lebewesen. Wie dem Lumbricus badensis, dem badischen Riesenregenwurm, der bis zu einem halben Meter lang wird. Oder der Apornectodea Smaragdina, dem smaragdgrünen Regenwurm. Auch die langbeinigen Weberknechte weiß der Naturliebhaber zu schätzen. Zubetonierte Landschaft Umso größer ist sein Kummer über die bedrohte Natur – ob in Wald oder Feld, in Flusslandschaften oder in den Meeren. Auf den Feldern und Feldwegen registriert er einen ökologischen Niedergang als Folge von Herbiziden. Maisäcker bedrohen den Lebensraum Fluss ebenso wie Begradigungen, eine „unvorstellbare Misshandlung unserer Flüsse“. Darüber hinaus „werden jeden Tag etwa 80 Hektar Landschaft zubetoniert“. Kaum mehr ursprüngliche Natur Und im Wald dominieren Monokulturen und Plantagen – eine leichte Beute für Schädlinge oder Windbruch. Dabei hat schon 1713 der Oberberghauptmann Carl von Carlowitz eine nachhaltige Nutzung der Wälder gefordert: Für jeden gefällten Baum sollte in neuer nachgepflanzt werden. Der Erfolg lässt bis heute auf sich warten, weiß Jan Haft: „Es wurde abgeholzt, was der Wald hergab.“ Auch deshalb haben…

Hôtel Provençal – ein Haus mit Geschichte
Rezensionen / 4. Mai 2021

„Jeder Besuch an der Côte ist eine Lektion in philosophischer Lebenspraxis… Auf Juan-les-Pins trifft dieser Befund besonders zu….“ schreibt Lutz Hachmeister gegen Ende seines Buches über das „Hôtel Provençal“. Es beginnt mit dem Song von Peter Sarstedt „Where do you go to my lovely?“ und der Zeile „When you go on your summer vacation you go to Juan-les-Pins“ – über ein armes Mädchen, das in der leeren Welt des Jetset Karriere gemacht hat und ihren Sommerurlaub in Juan-les-Pins verbringt, einer „Art Resort für Körperkult, Fun und Games“ an der Côte d‘Azur. Was vom Ruhm übrig bleibt Im Zentrum dieses hedonistischen Hotspots: Das Hôtel Provençal. Hachmeister beschreibt dessen wechselhafte Geschichte und die seiner vielen Besitzer bis in die Gegenwart. Zurzeit steht von dem traditionsreichen Hotel, das zu seinen besten Zeiten alle Reichen, Schönen und auch die Möchtegern-Promis dieser Welt gesehen hat, nur noch ein Betonskelett. French Connection Am Anfang ermüdet das Name-Dropping etwas, denn der Autor widmet sich nicht nur dem seit mittlerweile 44 Jahren leer stehenden Hotel, er bezieht ganz Antibes mit ein, Cannes, Nizza und Saint Tropez. Und da tummelte und tummelt sich alles, was Rang und Namen hat: Milliardäre und Mafiosi, Schauspielerinnen und Scheichs, verarmte Künstler und Kokotten….

Weltwach-Lebenslektionen
Rezensionen / 3. Mai 2021

„Weltwach zu reisen bedeutet nicht, Meilen zu zählen, Passstempel zu sammeln oder Fotoalben zu füllen. Es geht darum, die Augen neuen Orten, das Herz neuen Kulturen und den Geist neuen Denkweisen zu öffnen.“ Erik Lorenz hat sich diesem „Weltwachsein“ verschrieben, dazu nicht nur ein Online-Magazin und einen Podcast gegründet, sondern auch ein Buch mit dem Titel Weltwach geschrieben. Erzählungen vom Reisen Darin erzählt er viel von seinen eigenen Reisen und Abenteuern: Von dem Erlebnis als Jugendlicher auf einer Farm in Australien, vom Abenteuer mit Freunden und Motorrädern im Himalaja, von einer Reise durch den Iran oder vom riskanten Wagnis am Vulkan Mount Mayon. Die Lehren der Podcast-Gäste Dazwischen lässt er seine Podcast-Gäste zu Wort kommen, allesamt bekannte Aussteiger, Abenteurer und Grenzgänger wie Reinhold Messner oder Rüdiger Nehberg, die Weitwanderin Christine Thürmer oder den Wüstengänger Bruno Baumann, den Reise-Anarcho Andreas Altmann oder Weltensammler Ilja Trojanow aber auch den Erfinder der Mikroabenteuer Christo Foerster. Und in jedem Kapitel zieht Lorenz aus den Reise-Erfahrungen eine Lebenslektion. Nicht zur Nachahmung empfohlen Es geht um Rücksichtnahme auf fremde Kulturen, um Nachhaltigkeit beim Reisen, um die richtige Selbsteinschätzung. Aber nicht alles, was Lorenz gewagt hat, eignet sich zur Nachahmung. Ohne Fahr- und Ortskenntnisse mit dem Motorrad…

Roadtrip zum Ich
Rezensionen / 3. Mai 2021

Ciara Geraghty spricht in ihrem Roman existentielle Fragen an:  Gibt es ein echtes Leben im Falschen? Terry Shephard ist eine ganz normale Mittelstands-Mutter mit Mann und zwei erwachsenen Töchtern. Ein eigenes Leben kennt sie nicht, sie wird ja zu Hause gebraucht – bis ihre Freundin Iris, die an fortschreitender MS erkrankt ist, beschließt, in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Für Terry eine inakzeptable Entscheidung, von der sie die lebensfrohe Iris unbedingt abbringen will. Ungewöhnliches Trio So kommt es, dass sie mit ihrem dementen Vater und der sterbewilligen Freundin eine ganz und gar ungeplante Reise unternimmt, über den Kanal und Frankreich bis in die Schweiz. Ciara Geraghty macht aus dieser ungewöhnlichen Kombination einen tragikomischen Roadtrip, der zu einer Ode an das Leben wird, getreu dem Buchtitel „Das Leben ist zu kurz für irgendwann“. Selbsterkenntnis mit Lebensfeude Für die Ich-Erzählerin Terry wird diese Fahrt, die ja auch so etwas wie eine Flucht aus der Familie ist, eine Offenbarung. Sie lernt sich selbst von einer ganz neuen Seite kennen, bekommt von ihrem Dad und der Freundin soviel Lebensfreude ab, wie sie es seit Jahren nicht kannte. Bei manchen Beschreibungen gleitet die irische Autorin ins Märchenhafte ab, etwa, wenn das seltsame Trio…

Auf Mallorcas Schattenseite
Rezensionen / 28. April 2021

Mallorca ist nicht nur der Deutschen liebste Ferieninsel, ein touristischer Hotspot in Europa. Mallorca ist auch Lebensraum für die Mallorquiner und viele Zugereiste. Und da ist oft nicht soviel Idylle wie so mancher Kurzurlauber erwartet. Klaus Späne ist Journalist und hat eine Zeitlang auf Mallorca gelebt. Dabei hat er auch hinter die Kulissen der Ferieninsel geblickt. Seine Erfahrungen fließen nun in seine Mallorca-Krimis ein. Nach „Mallorca bis in alle Ewigkeit“ nun schon der zweite um den eigenwilligen Kommissar Pau Ribera unter dem Titel „Kap des Todes“. In Parallelgesellschaften Diesmal muss sich der überzeugte Junggeselle gleich mit drei Todesfällen befassen, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Und wieder ist es Riberas außergewöhnlicher Spürsinn, der dabei hilft, die Fälle aufzuklären. Und ganz nebenbei auch Licht ins Dunkel um rätselhafte Uhrendiebstähle zu bringen. Dabei begleiten die Leser den Chefinspektor vom Festland und seine beiden gegensätzlichen Helfer Quique und Blum in mallorquinische Parallelgesellschaften, zu Hausbesetzern und Drogendealern, Immobilienspekulanten und korrupten Polizisten – und hin und wieder auch in eine nette Kneipe. Wohlfühlpaket mit Kater und Lokalkolorit Dass sich Späne bei der Beschreibung des Polizeireviers womöglich ein bisschen von Donna Leons ungleichem Paar Commissario Brunetti und Vize-Questore Patta hat inspirieren…

School of Talents: Die talentierte Alva
Rezensionen / 28. April 2021

In ihrer Schule wird Alva gemobbt, sie gilt als Freak, weil sie oft so abwesend wirkt. Anders als ihr kleiner Bruder Carlos, der Überflieger, der ebenfalls in der vierten Klasse sitzt. Auch er weiß nicht genau, was Alva von den anderen Kindern unterscheidet. Ausgerechnet der merkwürdige Onkel Thomas aber kennt das Geheimnis der Zehnjährigen, denn er kann Gedanken lesen: Alva versteht, was Tiere reden und denken – bis hin zur kleinsten Fliege. Keine Lust auf die School of Talents Kein Wunder, dass sie ein Aufmerksamkeitsdefizit hat. In der von ihrem Onkel gegründeten und geleiteten School of Talents soll sie lernen, ihr „Talent“ nutzbringend in den Alltag zu integrieren. Darauf hat Alva erstmal gar keine Lust. Eine andere Schule? Und womöglich lauter Freaks! Allein schon die Zimmer-Mitbewohnerin Friederike scheint sämtliche Vorurteile zu bestätigen. Alva würde am liebsten sofort wieder heimfahren. Kein Wunder, dass Carlos seine große Schwester bemitleidet. Harry Potter lässt grüßen Silke Schellhammer hat sich bei der Konzeption ihrer Buchreihe „School of Talents“ deutlich auch von Harry Potter inspirieren lassen. Nur geht es in dieser abgelegenen und aus der Zeit gefallenen Schule nicht um Zauberlehrlinge, sondern um Kinder, die alle eine außergewöhnliche Eigenschaft haben: Till etwa kann schrumpfen, Mala kann…

Lehren vom Berg
Rezensionen / 22. April 2021

Auf den Bergen lebt die Freiheit. Vom Berg herab wirkt die Welt anders, kleiner. Die Alltagsprobleme relativieren sich. Nicht nur deshalb hat sich der zum Menschenfeind gewordene Ich-Erzähler in Ivica Prtenjacas Roman „Der Berg“ für eine Auszeit als Brandwächter in einer Karaule (Wachhütte) auf einer kroatischen Insel entschieden. Ekel an der Zivilisation Die Kunst- und Verlagsszene mit ihren Eitelkeiten und Intrigen ekelt ihn an, die Menschen ekeln ihn an. Wohl fühlt er sich allein in Gesellschaft des altersschwachen Esels Visconti und später auch einer herrenlosen Hündin. Er erinnert sich an Ereignisse in seiner Kindheit, denkt über sein Leben nach. Weitab der Zivilisation, die er durch sein Fernglas, das er Auge nennt, beobachtet, versucht der Mann, wieder Tritt zu finden in seinem Leben. Begegnungen am Berg Die ewig gleichen Rundgänge am Berg haben etwas Meditatives. Die Begegnungen mit den Einheimischen und ihren Tragödien erden ihn. Doch am Berg muss er sich auch mit Touristen auseinandersetzen, mit verirrten Bikern, seltsamen Sinnsuchern und modernen Pilgern. Lob der Einsamkeit Trotzdem ist seine Einsamkeit umfassend, sie macht ihn zu einem neuen Menschen: „Meine Einsamkeit berauscht mich geradezu. Ich bin eins geworden mit diesem Berg, mit der Karaule, mit dem Wald,den Wegen und den Tieren. Ich…

Stadt, Land, Frust
Rezensionen / 19. April 2021

Stadt oder Land? Berlin oder Oderbruch? Ruth oder Jann – wer von beiden hat den besseren Lebensentwurf? Björn Kern porträtiert in seinem Roman  „Solikante Solo“ in Zeitsprüngen und aus gegensätzlichen Perspektiven ein Paar am Scheideweg. Die beiden haben eine siebenjährige Tochter, Sisal, sind aber nach größeren Auseinandersetzungen um den Familienwohnsitz getrennt. Doch auch das scheint nicht so recht zu funktionieren. Gestresste Großstadt-Mutter Ruth ist grundsätzlich gestresst – vom Job, vom Kind, von der ganzen Situation. Die Freundin aus unbeschwerten Studienzeiten erweist sich als wenig hilfreich. Denn für die verantwortungsvolle Mutter Ruth sind extravagante Ausgeh-Abende samt Man-Fishing keine Option. Überforderter Teilzeit-Vater Auf der anderen Seite hat sich Jann mit dem Kauf und der Renovierung eines alten Schlosses im abgelegenen Dorf Solikante verhoben. Er war zwar mal erfolgreich als innovativer Brauer, ist aber mit seinem Projekt Pleite gegangen. Nun will er in Solikante wieder etwas aufbauen. Doch das alte Gemäuer überfordert ihn genauso wie die Dorf-Originale, die er anfangs so erfrischend anders gefunden hatte. Schneller als gedacht gerät Jann an seine Grenzen – auch als Teilzeit-Vater. Ein Paar am Scheideweg Björn Kern schneidet in seinem Roman die Erzählungen der gefrusteten Eltern gegeneinander, springt mal vor, mal zurück. Da muss man schon aufpassen,…