Von wegen Blue Skies
Rezensionen , Romane / 10. Mai 2023

Blue Skies, so der Titel des neuen Romans von T.C. Boyle sind im Kalifornien dieser Tage Alltag – ebenso wie die daraus folgende Dürre. Der Klimawandel lässt grüßen. Naturkatastrophen sind keine Schlagzeilen mehr wert: Brände in Kalifornien, Überschwemmungen in Florida. Die Menschen scheinen sich damit abzufinden. Und wenn alles immer schlimmer wird, hilft der Alkohol. Zumindest in der Familie, aus deren unterschiedlichen Perspektiven T.C. Boyle erzählt. Eine Familie im Mittelpunkt Ottilie und Frank versuchen, sich anzupassen und Ottilie nimmt Heuschrecken im Speiseplan auf. Sohn Cooper, der Insektenforscher, findet das gut. Allerdings ist er überzeugt davon, dass der Planet Erde in den letzten Zügen liegt. Tochter Cat dagegen hofft auf eine Karriere als Influencerin und legt sich dafür eine Python zu, mit der sie die Zahl ihrer Follower in die Höhe zu treiben gedenkt: „Sie war eine Schlangenlady. Und das war cool, voll cool. Es verlieh ihr eine ganz eigene Identität, und das würde sie von den anderen Influencerinnen unterscheiden, denn wie viele Schlangenladys gab es unter denen?“ Wandel und Gefahren Das ist die scheinbar harmlose Ausgangslage. Doch man ahnt dahinter die drohende Gefahr. Sie geht von Cats Schlange aus, von Coopers Besessenheit, von den vielen Drinks. Die Familie erweitert sich:…

Aufbruch ins Ungewisse
Rezensionen , Romane / 8. Mai 2023

Es geht um Abschied und Aufbruch in dem Roman „Wer braucht schon Wunder“ von Anne Müller. Lika, die Ich-Erzählerin musste schon einmal Abschied nehmen – von ihrer Mutter, die bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Und sie weiß eines: „Wer zu Trauernden ‚Das Leben geht weiter‘ sagt, der hat wirklich nichts, aber auch rein gar nichts verstanden.“ Eine Sommerliebe Nun steht ihr erneut ein Abschied bevor. Um Theaterwissenschaft zu studieren, muss sie ihre geliebte Heimat an der Schlei, ihren Vater und den kleinen Bruder verlassen. Das macht ihr zu schaffen. Aber bevor sie sich in einen neuen Lebensabschnitt verabschiedet, will sie noch mit Kellnern ein bisschen Geld verdienen. Bei Fränkie im Kakadu verliebt sie sich in den Bretonen Antoine, der ihr neue Perspektiven in Sachen Kochkunst und Liebe eröffnet. Wankende Sicherheiten Es ist eine Sommerliebe ohne große Zukunft.  Aber Lika genießt Antoines Aufmerksamkeit, zumal ihre eigenen Sicherheiten ins Wanken geraten. Wen hat ihre Mutter vor dem tödlichen Unfall getroffen? Und was hat das mit ihrem Bruder zu tun? Kann sie ihren Erinnerungen noch trauen? In ihrem „Schatzkästlein“ findet sie einen Origami-Vogel mit der Zeile „Die Liebe ist ein Kind der Freiheit“. Reif für den Abschied Doch als sie ihre…

Die dunkle Seite der Gabe
Kinderbücher , Rezensionen / 6. Mai 2023

Harper Green ist ein ganz normales Mädchen in einer scheinbar intakten Familie, bis sie bei der Beerdigung einer früheren Freundin Lucas trifft und entdeckt, dass sie Gedanken lesen kann. Von da an ist nichts mehr wie es war. Vielleicht war es ja auch nie so, wie Harper gedacht hat. Verabredung in Kill River Sie hat sich zwar nie ganz wohl in der Gated Community gefühlt, in der sie seit dem Tod ihres Vaters leben. Eine schicke, geschützte Siedlung für Familien, deren Väter als Helden gestorben sind – beim versehentlichen Abschuss eines Flugzeugs, so die Heldenerzählung. Aber Kill River, der Ort, an dem sie Lucas treffen soll, schockiert sie. Es ist ein verlotterter Stadtteil, bevölkert von Drogensüchtigen, Alkoholikern und anderen Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben. Wie Marty, der Drogenhändler, und Tammy, die aggressive 14-Jährige, die Harper am liebsten zu Brei schlagen würde. Berüchtigte Insel Wie gut, dass auch Lucas eine Gabe hat: Er kann heilen. Ihr gemeinsames Geheimnis schweißt die beiden zusammen. Doch um Lucas zu treffen, hat Harper ihren besten Freund Caleb als Alibi benutzt. Und dann muss sie mit ansehen, wie er abgeführt wird. Ihm droht die Insel, ein berüchtigtes Arbeitslager im Nirgendwo. Auch Lucas war schon…

Der Wolf im Wald
Kinderbücher , Rezensionen / 5. Mai 2023

Saša Stanišić kam mit seinen Eltern aus Bosnien nach Deutschland und hat als Autor schon einige Preise abgeräumt. Der Vater eines Sohnes hat auch zwei Kinderbücher geschrieben. „Wolf“ ist sein erster Kinderroman. Es geht um ein Ferienlager im Wald, um Ausgrenzung, Null Bock, Mut und Mobbing – und um einen Wolf. Außenseiter und Opfer Kemi – den Namen des Ich-Erzählers erfährt man ganz zum Schluss – wäre eigentlich der „perfekte Kandidat zum Andersig gemacht zu werden“, denn er ist anders. Einer der gern liest, der viel weiß, aber Null Bock auf Spiel und Sport hat. Mit seiner alleinerziehenden Mutter dagegen führt er gern Gespräche über Erwachsenen-Themen. „Meine Reputation ist die von einem, der sich gern beschwert und der gern keine Lust auf nichts hat“, sagt er von sich selbst. Dass er mit der Einstellung in der Klasse zwar Außenseiter aber nicht Opfer ist, hat er Jörg zu verdanken. Der ist anders als Kemi kein Nörgler, sondern ein freundlicher Typ, aber mit den abstehenden Ohren, dem altmodischen Outfit und ebensolchen Sprüchen einfach uncool. Kein Mumm gegen Mobbing Es kommt, wie es kommen musste. Kemi und Jörg teilen sich im Ferienlager ein Zimmer mit Stockbett, und Kemi beginnt zu ahnen, wie schwer…

Afghanistan extrem
Reisebücher , Rezensionen / 2. Mai 2023

„Wir waren glücklich hier“, ist der Titel von Christoph Reuters Roadtrip durch Afghanistan. „Wir waren glücklich hier“, sagte dem Reporter ein junger, gut ausgebildeter Afghane, bevor er zusammen mit anderen sein Land in einer Frachtmaschine verläßt. Konnte man in diesem seit einem halben Jahrhundert vom Krieg heimgesuchten Land glücklich sein? Und was für eine Zukunft erwartet die, die bleiben? Extreme Erlebnisse Reuter nutzt die kurze Zeitspanne während der Machtübernahme der Taliban, um Afghanistan zu bereisen. Während die Afghanen aus ihrer Heimat fliehen, reist er ein und erlebt „selbstlose Güte und Großzügigkeit, unglaublichen Mut, ebenso rabiate Gier, Verschwörungsglauben, Missgunst.“ Ein Wechsel der Extreme wie die Landschaft. Und extrem ist auch, was die Journalisten erleben: Sie werden mit dem Tod bedroht, immer wieder verhaftet und verhört, dann aber auch zum Gastmahl bei hochrangigen Taliban geladen. Fatale Entscheidungen Der Journalist zeigt Verständnis für die Hoffnung der Afghanen, mit den Taliban zu einer sichereren Zukunft zu finden als mit korrupten Marionettenregierungen bisher – auch wenn er selbst nicht daran glaubt. Er hält mit seiner Kritik an der fatalen Entscheidung deutscher Offiziere zur Bombardierung entführter Lastwagen, die vor allem Zivilisten das Leben kostete, ebenso wenig hinter dem Berg wie mit der Kritik an falsch investierten…

Sörensen und die Amokfahrt
Rezensionen , Romane / 2. Mai 2023

Er ist schon ein bisschen unbeholfen, dieser Sörensen. Aber das macht den KHK im fiktiven Städtchen Katenbüll erst so richtig sympathisch. Es menschelt ordentlich in den Krimis von Sven Stricker, der für seinen Krimi „Sörensen hat Angst“ für den Glauser-Preis 2017 nominiert war. Viel um die Ohren Jetzt also: Sörensen sieht Land. Doch bis es soweit ist, dauert es gute 500 Seiten. Denn der schnellste ist der Kriminalhauptkommissar nicht, zumal er sich auch noch um seinen krebskranken Vater kümmern muss. Und dann ist da auch noch die KOKin Jennifer, für die Sörensen schon ein Quäntchen mehr empfindet als Kollegialität. So richtig zusammen kommen die beiden aber trotzdem nicht. Harmlos oder nicht? Denn da kommt was Ungeheures dazwischen – eine Amokfahrt bei einem Stadtfest. Tote, Verletzte, darunter auch Sörensens Vater – und mittendrin der ehemalige Praktikant Malte, der Halter des Wagens. Sörensen mag nicht glauben, dass der harmlose junge Mann zum Amokfahrer geworden war. Und was ist mit der jungen Frau, Swantje, mit der er unterwegs war? Sehnsucht nach Leben Sven Stricker lässt die 21-Jährige, die vom Leben bisher nicht gerade verwöhnt wurde, in Tagebucheinträgen zu Wort kommen. Hass war bei ihr schon da – auf diejenigen, die nicht so hinterwäldlerisch…

Mütter ohne Lobby
Rezensionen , Romane / 30. April 2023

Jessame Chan regt mit ihrem nur leicht dystopischen Roman „Institut für gute Mütter“ zum Nachdenken an – und zu Diskussionen. Denn die amerikanische Autorin nimmt die aktuellen Debatten um Mutterschaft, Feminismus, Rassismus und staatliche Eingriffe ins Privatleben zum Ausgangspunkt einer ebenso spannenden wie deprimierenden Geschichte. Ein Fehltritt und die Folgen Es war nur ein kurzer Fehltritt, der Frida ihre Tochter und ihr Lebensglück kostet. Die alleinerziehende Mutter hat ihr Baby Harriet im Spielsitz zurückgelassen, um berufliche Unterlagen zu holen. Und weil sie wegen Harriet nächtelang kaum geschlafen hat, ist sie einfach länger weggeblieben als geplant. Zwei Stunden vielleicht. Zu lang, das weiß sie selbst. Doch sie war gestresst, versucht sie der Sozialarbeiterin zu erklären. Die hat wenig Verständnis: „Wenn Sie einfach das Haus verlassen möchten, wann immer Ihnen danach ist, sollten Sie sich einen Hund anschaffen und kein Kind.“ Kein Verständnis für Überforderung Die Frau könnte Fridas Überforderung verstehen, wenn sie nur zuhören würde. Sie könnte verstehen, dass Frida darunter leidet, dass ihr Traummann Gust sie wegen einer Jüngeren verlassen hat. Dass sie Angst davor hat, die rothaarige Rivalin könnte ihr Harriet entfremden. Doch weder die Sozialarbeiterin noch der Psychologe wollen verstehen, dass eine Frau nicht rund um die Uhr…

Lebenslügen
Rezensionen , Romane / 15. April 2023

Martin Suter mag es edel.  Auch in seinem neuen Roman  Melody  öffnet er die Tür zu einem stilvollen Haus, in dem der Eigentümer, einst hohes Tier in Politik und Wirtschaft, als gebrechlicher alter Mann residiert. Umhegt von Butler und Köchin. Doch Dr. Peter Stotz reicht es nicht, dass er sich alles leisten kann; er braucht jemanden, dem er imponieren, mit dem er reden kann. Deshalb engagiert er den angehenden Juristen Tom als eine Art Privatsekretär. Verführerischer Luxus Für Tom, der aus kleinen Verhältnissen stammt, ist es der Eintritt in eine neue Welt, in der Geld keine Rolle spielt und  in der alles käuflich scheint – auch Zuwendung. Verwöhnt mit besten Weinen und feinsten Speisen, gewöhnt sich Tom an das Leben im Luxus. Und zunehmend hegt er auch Sympathie für den einsamen Alten, der ihm von seiner großen Liebe erzählt: Melody. Die verschwundene Liebe Ihr Bild findet sich überall in der Villa, oft mit Blumen geschmückt wie ein Schrein. Dabei ist es Jahrzehnte her, dass sie verschwunden ist, kurz vor der Hochzeit und unter Zurücklassen des Hochzeitskleides. War Melody vor ihrer muslimischen Familie geflohen, die sie wegen der Verbindung mit einem Nicht-Muslimen bedrohte?  Wurde sie gefangen gehalten?  Stotz sucht seine verschwundene…

Urlaub mit Folgen
Rezensionen , Romane / 8. April 2023

Daniel Glattauer nimmt in seinem  neuen Roman „Die spürst du nicht“  die Lesenden mit auf eine Achterbahn der Gefühle und am Ende auch mit zu Menschen, „von denen wir nichts wissen wollen, weil wir sie nicht spüren“. Wie viele Tragödien fängt auch diese Geschichte ganz harmlos an. Zwei befreundete Familien fahren in die Toskana, um Ferien in einer noblen Villa mit Pool zu machen: die Binders und die Strobl-Marineks und ihre drei Kinder. Mit dabei ist auch eine Freundin der ältesten Strobl-Marinek-Tochter, Aayana, ein Flüchtlingsmädchen aus Somalia. Tragödie in der Idylle Alles scheint perfekt, Aayana fällt nicht weiter auf. Die Familien genießen das milde Klima, den Wein, die Urlaubsatmosphäre. Doch die Idylle zersplittert schnell, denn Aayana ertrinkt im Pool. Für die beiden Familien ist der Urlaub vorbei, ihr Leben geht weiter. Aber nichts ist, wie es vorher war. Vor allem die 14-jährige Sophie Luise fühlt sich allein gelassen. Von den Mitschülerinnen gemobbt sucht sie Trost im Internet. Hier lernt sie Pierre kennen, der sie mit seinen Zeichnungen aufmuntert. Über Chats, in denen So-Lu, wie Pierre sie nennt, sein Deutsch verbessert, kommen sie sich näher. Chats und Internet-Kommentare Daniel Glattauer kann das, den speziellen Chat-Sound. Aber auch Twitter-Kommentare, kurze Zeitungsnotizen zu…

Camping mit Wohlfühlfaktor
Reisebücher , Rezensionen / 8. April 2023

Es sind kleine Plätze mit Familienanschluss und große mit Hotelambiente, die Heidi Siefert und Manuela Blisse für diesen Campingführer aus Empfehlungen der Pincamp-Community zusammengestellt haben. So unterschiedlich diese Plätze auch sind, alle eint das Bestreben, den Gästen eine wohlige Auszeit zu bieten. Das kann die Saunalandschaft sein, ein Badeteich oder der See vor der Haustür. Piktogramme und nützliche Infos Die Autorinnen erweisen sich in den Texten als ortskundig und bieten mehr als nur die Beschreibung der einzelnen Plätze. Zum Beispiel Tipps für Wanderungen, Skitouren, Ausflüge oder auch in Extra-Kästchen Hinweise zu Besonderheiten der Gegend wie Infos zum Grünen Band, zu Loipenvergnügen oder zur Zugspitze in Flammen. Über die Piktogramme erkennt man auf den ersten Blick, was die einzelnen Plätze zu bieten haben, und eine Mini-Karte zeigt, welche Ausflüge im nahen Umfeld möglich sind. Luxuriöse Campingwelt Und schon ist man mittendrin in einer eher luxuriösen Camping-Welt, wo Saunen, Dampfbäder und Kneipp-Anwendungen ebenso selbstverständlich sind wie Yoga auf dem SUP, Pilates auf der Wiese oder Floating Fitness. Nicht genug damit, da gibt es Workshops zur Herstellung von Aroma-Öl, Thermalwasser-Pools und Infinity-Skypools, Bungalows mit eigener Sauna, ein Badehaus mit Bibliothek, einen Whirlpool mit Wasserfall oder ein Luxusbaumhaus mit Whirlpool-Badewanne. Es gibt einen Campingplatz…