Kurvenreich in Deutschland
Reisebücher , Rezensionen / 28. März 2023

Die Curves Bildbände machen mit kurvenreichen Strecken ihrem Namen alle Ehre. Nun waren die Autoren in Deutschland unterwegs. Auf der beigelegten Karte sieht die Strecke schon recht kurvig aus, vor allem am Anfang und am Ende. Von Freistaat zu Freistaat führt sie, von Bayern nach Sachsen – immer an der grünen Grenze entlang, von München bis Dresden, von der Isar bis an die Elbe. Genüssliche Schleifen Schon kurz nach München beginnen „die genüsslichen Schleifen“ im hügeligen Voralpenland. Nächste Etappe ist Passau, eine andere Welt. Flachwellig geht es weiter in den Norden bis nach Hof, wo die fahrenden Autoren eine Ehrenrunde einlegen – durch den Thüringer Wald. Grenzland-Erfahrungen sind auch auf der Weiterfahrt nach Dresden drin. Und dann gönnen sich die  Leute von Curves noch das Erlebnis der Porsche-Rennstrecke in Leipzig. Nichts für Automuffel Die Curves Bücher sind nichts für Automuffel. Aber man muss auch kein Porsche-Fan sein, um Gefallen an ihnen zu finden. Das liegt am „Blumenstrauß von Geschichten“ ebenso wie an den großformatigen Fotos, die dazu einladen, auch Deutschlands unbekannten Seiten mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Originelle Texte Die Texte sind so originell, dass man sie immer wieder gerne liest. Da schwebt etwa am Münchner Gärtnerplatz „Freddy Mercurys Geist im…

Fluch der Kindheit
Rezensionen , Romane / 28. März 2023

Ein Buch wie ein Axthieb: Ehrlich bis zur Selbstaufgabe schildert Matt Rowland Hill in „Erbsünde“ sein Leben mit der Drogensucht. Und man wundert sich, dass dieser Mann trotz allem 39 Jahre alt werden konnte. Elterliche Hölle Der Autor wird als Sohn eines Baptistenpastors und seiner pietistischen Frau in Südwales geboren und erlebt früh den moralischen Druck der Kirche, der ihn allerdings nicht von seiner Lieblingsbeschäftigung abhält: Der Junge masturbiert gern und ausgiebig – eine Art Flucht aus der elterlichen Hölle, in der sich Vater und Mutter Bibelsprüche um die Ohren hauen. Traumatischer Bruch Erst in der Jugend macht der Junge den nächsten Schritt, folgt seinen intellektuellen Zweifeln und bricht mit Eltern und Religion. Aber die Prägung seiner Kindheit klebt an ihm wie die Erbsünde an den Gläubigen. Hill taumelt von einem Extrem ins andere. Er entdeckt die Welt der Drogen und verfällt ihr wie seine Familie der Bibel verfallen war. Spirale von Sucht und Abstürzen Für den begabten jungen Mann beginnt eine Spirale von Drogenträumen, Traumata, Entzugs-Erfahrungen und Chaos. Mal schafft er es zwei Jahre, sich von Drogen fern zu halten. Mal ist er vier Jahre clean, um dann doch einen Rückfall zu erleben, schlimmer noch als alle anderen.  Es…

Weißblaue Schönheiten
Reisebücher , Rezensionen / 28. März 2023

Das Märchenschloss Neuschwanstein kennt man in der ganzen Welt, ebenso den Englischen Garten und die Alte Pinakothek in München. Doch die weltbekannten Sehenswürdigkeiten sind allzu oft überlaufen. Wie gut, dass es dazu auch Alternativen gibt. Der Franke Jörg Martin Dauscher hat zu 33 bayerischen Traumzielen 100 alternative Ausflugsideen gefunden. Zu Schloss Neuschwanstein etwa die Burg Prunn auf einem Kalkfelsen über der Altmühl oder – ganz nah – das Hohe Schloss in Füssen. Erlebnis ohne Drängeln Statt der Alten Pinakothek schlägt Dauscher zum Beispiel einen Besuch im Augsburger Schaezlerpalais vor, wo man „Auge in Auge mit Dürer, Cranach, Holbein und van Dyck“ stehen kann, „ohne dass man drängeln muss“. Als genauso schöne Alternativen zum Englischen Garten nennt  Jörg Martin Dauscher den Kurpark Sonthofen, den Hofgarten Bayreuth und den Park Schönbusch bei Aschaffenburg. Märzenbecherwald und Bürgerpark Natürlich sind all diese Ziele anders als das Original, aber sie bieten auf ihre Art ähnlich viel und sind relativ unbekannt. Das gilt sicher für den Märzenbecherwald bei Ettenstatt in Mittelfranken, der in der Gegend auch Märchenwald heißt. Wobei die Märzenbecherblüte vergänglich ist, anders als die ganzjährige Blütenpracht in Lindaus Bürgerpark, dem Original. Alatsee statt Königssee Unter den bayerischen Seen nimmt der Königssee eine Ausnahmestellung ein….

Reisen Reisen: Die Welt mit allen Sinnen
Reisebücher , Rezensionen / 16. März 2023

Reisen Reisen ist das Projekt von  zwei Reiseprofis, die nach einem erfolgreichen Podcast auch ein gemeinsames Buch machen wollten:  Michael Dietz und Jochen Schliemann Lust wollen mit Reisen Reisen auf Perspektivenwechsel machen und darauf, die Welt mit allen Sinnen zu erleben. Beitragen dazu sollen Geschichten übe die Welt und ihre Wunder genauso wie überraschende Einblicke in fremde Kulturen. Neue Wege auf Reisen Das Motto der beiden Vielreisenden „Urlaub kann jeder. Reisen muss man reisen“ soll Mut auf eigene Entdeckungen machen, neue Wege zu gehen, sich auszuprobieren. Da schreibt Michael Dietz über „die Magie des ersten Mals“ und Jochen Schliemann erinnert sich an die kuriose Problematik, in einem japanischen Hotel einen Löffel auszuleihen. Man liest über die Freuden und Nöte des Alleinreisens und davon, dass auch im Paradies Gefahren lauern können und vom Scheitern ambitionierter Reise-Hoffnungen. Rapper und Bloggerin Die beiden Vielreisenden sind geübt darin, die Welt in Worte zu fassen. Aber sie lassen auch Gastautoren zu Wort kommen. Reisebloggerin Annika Ziehen etwa fordert Freiheit für egoistische Ziele beim Alleinreisen. Autorin Melanie Raabe berichtet über Reise-Erfahrungen als schwarze Person, und der Rapper Marteria gibt zu bedenken, dass man sich die Schönheit des Reisens hin und wieder auch hart erarbeiten muss. Mut…

Die Welt als Abenteuer
Reisebücher , Rezensionen / 16. März 2023

Adrian Geiges hat leicht reden, wenn er empfiehlt „Öfter mal die Welt wechseln“. Der Mann ist Journalist, spricht mehrere Sprachen und leidet weder unter Kontaktscheu noch allzu großer Ängstlichkeit. Seine Abenteuerlust hat ihn rund um die Welt geführt, wobei meist die Auftraggeber seine Reisen und Auslandsaufenthalte bezahlt haben. Doch Geiges ist überzeugt, dass auch Berufstätige in anderen Branchen seinem Beispiel folgen könnten, wenn sie die Angst vor dem Unbekannten überwinden würden. Für sie ist sein Buch gedacht. Großer Erfahrungsschatz Es will diejenigen ermutigen, die fremde und ferne Länder kennenlernen wollen, ohne zu Hause alle Zelt abzubrechen. Adrian Geiges kann aus einem langjährigen und reichlichen Erfahrungsschatz berichten. Das heißt allerdings auch, dass manche dieser Erfahrungen heute nicht mehr nachvollziehbar sind. Etwa die Studienzeit in der damaligen DDR. Sie taugt allerdings dazu, zu zeigen, wie unerschrocken und anpassungsfähig Geiges sich anderen, ja gegensätzlichen, Welten nähert. Glasnost in Moskau Das Motiv „Buche schlechte Erlebnisse als positive Erfahrungen ab“ begleitet ihn auch bei so manchen anderen Reisen. Bei der Auswahl der Ziele schont sich Adrian Geiges nicht: Es sind keineswegs touristische Hotspots, die er sich aussucht. Wichtiger ist es dem Journalisten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Zum Beispiel in Moskau, als…

Das Versprechen des Meeres
Interview , Romane / 26. Februar 2023

Nina Polak stellt in ihrem Roman „Zuhause ist ein großes Wort“ die Ich-Erzählerin Skip vor eine existentielle Wahl. Skip fühlt sich am wohlsten auf dem Schiff und auf hoher See. Durch Zufall trifft sie in Frankreich wieder auf die Familie, mit der sie Kindheitserinnerungen verbindet. Und obwohl inzwischen sieben Jahre vergangen sind, fühlt sich die mittlerweile 30-Jährige in die Vergangenheit zurück katapultiert. Skip muss sich ihr stellen – am besten in Amsterdam, wo sie ihre Kindheit verbracht und bei der begüterten Familie Zeno so etwas wie Geborgenheit genossen hat. Leben zwischen zwei Polen Und wieder erliegt sie dem Charme dieser Familie, dem scheinbar unzertrennlichen Trio aus Patriarch Nico, Schauspielerin Mascha und dem scheuen Sohn Juda. Im Gartenhäuschen der Zenos fühlt sie sich fürs erste angekommen. Aufgewachsen ist sie mit ihrer depressiven Mutter Nellie in einem ärmeren Viertel der Stadt. Nellie und Mascha wurden die Pole, zwischen denen sich Skips Leben an Land abspielte. Und dann war Nellie tot, und Skip floh aufs Meer. Aufgewärmte Liebe Hat sie viel versäumt, fragt sich die junge Frau. Sie trifft Freunde, die sich verändert haben, und den Freund, der inzwischen anderweitig liiert ist. Und doch fühlt sich auch dieser Borg wie Heimkehr an. Skip…

Asche der Erinnerung
Rezensionen , Romane / 23. Februar 2023

„Meine Funktion war sehr einfach: Leiche rein, Asche raus, Knochenreste im Kremulator zermahlen.“ Der da spricht ist Pjotr Nesterenko, Gründer und Leiter des Moskauer Krematoriums, und als Ich-Erzähler in Sasha Filipenkos Roman Kremulator  genannt. Der belarussische Autor siedelt seinen gleichnamigen Roman in der Zeit der stalinistischen Säuberungen an. Nesterenko wird der Spionage für eine feindliche Macht beschuldigt und ausführlichen Verhören unterzogen. Er muss wohl mit der Todesstrafe rechnen. Trotzdem verlaufen die Verhöre „nicht frei von Komik“, wie der Angeklagte notiert. Bühne für persönliche Rückschau Ganz unschuldig daran ist Nesterenko daran nicht. Er nutzt die Verhöre auch als Bühne für seine ganz  persönliche Rückschau. Denn der Mann war nicht nur der Gründer des Moskauer Krematoriums, er stammt aus altem Adel, hat für die Weißrussen gekämpft,  war in Kiew,  ist in Paris Taxi gefahren, arbeitete  in Istanbul und in Serbien. Kurz, er hat so einiges aus der Welt außerhalb der großen Sowejetunion mitgekriegt. Geschichte einer großen Liebe Diese Weltläufigkeit imponiert dem jungen Ermittler Perepeliza und macht ihn doppelt misstrauisch. Was zum Teufel hat diesen Nesterenko dazu getrieben, von einem Ort zum anderen zu reisen, von einem Job zum anderen zu wechseln? Perepeliza ahnt nichts von der großen Liebe, die den Angeklagten seit…

Familiäre Abgründe
Rezensionen , Romane / 23. Februar 2023

„Meine Krimis sind immer auch ein Spiegel des Jahres, in dem sie geschrieben wurden“, schreibt Nicola Förg im Nachwort zu ihrem neuen Krimi „Dunkle Schluchten“. Das mache sie aktuell, „womöglich aber auch schnell veraltet“. Aktuell ist auch „Dunkle Schluchten“, brandaktuell. Denn mit dem verdächtigen Unternehmer von MyEi bringt Förg das Problem der Bruderhähne ins Buch. Sie werden zwar nicht mehr geschreddert, tiergerecht ist ihr meist kurzes Leben aber dennoch nicht. Profitgier contra Tierwohl Profitgier und desinteressierte Konsumenten sorgen dafür, dass das Tierwohl meist hinten runter fällt. Das macht der engagierten Tierschützerin Nicola Förg genauso zu schaffen wir ihrer Kommissarin Irmi Mangold. Furioses Ende Und dieser Fall um zwei tote Restaurateure fordert Irmis Spürnase ganz besonders. Dabei steht sie kurz vor dem Ruhestand, was ihr auch Kopfzerbrechen bereitet. Wohin dann mit all ihrer Energie? Doch vorerst braucht sie die noch, um den verzwickten Fall aufzuklären, der immer groteskere Züge annimmt und fast schon furios, zumindest aber filmreif endet. Gastro-Tipps am Lago Bis zur – unerwarteten – Lösung hat Nicola Förg reichlich Gelegenheit, nicht nur aktuelle Probleme wie die Eingliederung von ukrainischen Flüchtlingen, die Existenzsorgen der Landwirte und generell die mangelnde Rücksicht auf Nutztiere anzusprechen, sondern auch die landschaftlichen Schönheiten rund um…

Alles im Fluss
Reisebücher , Rezensionen / 23. Februar 2023

Den Rhein flussaufwärts ist der große Schweizer Autor Franz Hohler gewandert – zwischen Mai 2020 und September 2022. Nicht am Stück, natürlich nicht – Hohler ist knapp 80 und kein Weitwanderer. Und wozu gibt es die Schweizer Bahnen? In dem Büchlein „Rheinaufwärts“ erzählt der Autor von seinen Wanderungen entlang des Flusses und das nicht immer harmonische Miteinander von Mensch und Natur. Erlebnisse und Erinnerungen Manchmal ist das Flussufer verbaut, dann wieder führt der Weg durch grüne Auenwiesen. Mal geht es entlang des Flusses und seinen Totarmen, dann geht es am domestizierten Rhein entlang, dem Rhein-Kanal.  Erinnerungen begleiten den Wanderer – an die jüdischen Flüchtlinge im Dritten Reich, an den 11. September und den Anschlag an die Twin Towers. Fluss mit Schluckauf Und trotzdem hat er immer ein offenes Ohr für seinen Wegbegleiter: „Die Flussoberfläche wirkt zerzaust und verwirbelt, der Rhein hat etwas hinter sich und versucht mit einer gewissen Eile davon wegzukommen“, schreibt er. „Er rauscht und gurgelt, aber je enger das Tal wird, desto ungewöhnlicher werden seine Geräusche, manchmal ist mir, als höre ich ihn husten oder als habe er Schluckauf.“ Freude und Enttäuschung Die Lesenden werden mitgenommen auf diesen Wanderungen, hinein gezogen in die Erlebnisse. So folgt man…

Das Geheimnis des Grönlandhais
Rezensionen , Romane / 23. Februar 2023

Julia liebt ihr Mum, die so euphorisch sein kann, so mitreißend fröhlich. Dass diese Euphorie auch eine andere, düstere Seite haben kann, ist ihr nicht mehr bewusst. Das letzte Mal, als ihre Mum in tiefe Traurigkeit gefallen war, ist lange her. Und jetzt hat die studierte Meeresbiologin wieder ein Ziel, sie will den Grönlandhai erforschen und dazu Gelder von Hochschulen bekommen. Wie passend, dass Julias Dad für einige Zeit einen Job auf einem Leuchtturm auf den abgelegenen Shetland-Inseln hat, wo er ein Computerprogramm fürs Leuchtfeuer schreiben sollte. Da kommt Julias Mum ihrem Forschungsobjekt näher. Kin und der Sternenhimmel Alles sieht auch gut aus am Anfang, auch wenn sich Julia in der Einsamkeit des Leuchtturms etwas schwer tut. Aber immerhin hat sie die Katze Nudel, und dann lernt sie auch noch den cleveren Jungen Kin kennen, der ihr den Sternenhimmel erklärt. Doch auch Kin hat seine Probleme. Die anderen Jungs mobben ihn, weil seine Familie aus Indien kommt. Und als Julia bei Kins Verteidigung den Anführer der Boygroup, Adrian, auf die eigene Mutterlosigkeit anspricht, hat sie es sich auch mit ihrem neuen Freund verscherzt. Himmelhochjauchzend Dabei bräuchte sie ihn jetzt umso dringender, denn im Leuchtturm geht es drunter und drüber. Julias…