Out there (dort draußen) wollen Julia und Lisa Hermes eine bessere Welt finden. Per Anhalter, mit dem Kanu, zu Fuß und mit dem Rad machen sie sich auf die Suche nach gelebten Utopien. Vier Jahre lang sind die Schwestern unterwegs – ohne Flugzeug. Sie besuchen Aussteiger-Communities, Widerstandsnester, Gemeinschaften, die alternative Lebensentwürfe testen.
Nicht ganz ungefährlich
Das ist nicht immer komfortabel und hin und wieder auch nicht ganz ungefährlich. Vor allem anfangs werden sie manchmal mit Misstrauen konfrontiert, auf dem Segelboot schlägt die Seekrankheit zu, und manche Utopie ist schneller gescheitert als sie verwirklicht werden konnte. Das liegt nicht immer an den Protagonisten, oft ist das Umfeld den Neuen und dem Neuen gegenüber feindlich gesinnt. Nicht so Julia und Lisa Hermes, die alles begierig aufsaugen, was nach besserer Welt klingt.
Den Warnungen getrotzt
Dabei lassen sich die Schwestern auch von gut gemeinten Warnungen nicht von ihren Plänen abbringen: „In Las Palmas wurden wir vor den Menschen auf Kap Verde gewarnt. Vom Auswärtigen Amt wurden wir vor Chalotteville gewarnt. In Tobago wurden wir vor den Kriminellen in Trinidad gewarnt. In Trinidad wurden wir vor der Gefahr in Venezuela gewarnt. Und in Venezuela wurde uns davon abgeraten, in Kolumbien zu trampen, weil es zu gefährlich sei. Wir sind trotzdem durch diese Länder gereist, haben uns nicht von Angst und Vorurteilen lähmen lassen und unsere eigenen, überwiegend sehr positiven Erfahrungen gemacht.“
Viel Glück und Liebe
Das lag auch daran, dass die beiden sehr viel Glück hatten, ob beim Paddeln auf dem Amazonas oder bei einer waghalsigen Bergüberquerung in Patagonien. Julia und Lisa Hermes scheint nichts zu schrecken, auch nicht „eine Reise der Extreme“. Und sie werden auch immer wieder belohnt, wenn sie mutige Menschen kennenlernen, die gegen alle Widerstände ihre Visionen verwirklichen wie Lilly aus dem bayerischen Kaufbeuren, die in der chilenischen Wildnis mit Mann, Kindern, Schafen, Pferden, Hühner, Hunden und Katzen glücklich ist. Oder wenn sie sich in einer Gruppe aufgenommen fühlen, erfüllt von Liebe. Wenn sie streitbare Frauen begleiten, die für die Rechte der Indigenen kämpfen, in Harmonie mit der Natur zu leben. Deren Lebensrealität, sagt der Gründer der Widerstandsorganisation in Mexiko, komme einer gelebten Utopie doch sehr nahe.
Was möglich ist
In manchen dieser Gemeinschaften bleiben Julia und Lisa Hermes ein paar Tage, in anderen ein paar Wochen. Ob diese gelebten Utopien wirklich zukunftstauglich sind, lässt sich kaum sagen. Manche scheitern an der Bürokratie, andere an Feindseligkeiten von außerhalb, wieder andere an den unterschiedlichen Vorstellungen der Mitglieder. Aber all diese Ansätze zeigen, dass jenseits von Konsumstreben ein lebenswertes Leben möglich ist.
Das Leben hinterfragen
„Lass das Leben fliegen“, hat der von der Junta ermordete chilenische Sänger Victor Jara gesungen. Julia und Lisa Hermes haben dieses Motto aufgegriffen – und bei ihrer langen Reise viel gelernt. Davon profitieren auch diejenigen, die dieses ungewöhnliche Reisebuch lesen. Es ist eine Einladung, das eigene Leben zu hinterfragen. Denn: „So wie es ist, kann es nicht weitergehen, wir zerstören den Planeten, unsere Umwelt und damit uns selbst.“
Info Julia Hermes/Lisa Hermes. Out there, Malik, 304 S., 18 Euro
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