Ein Roadtrip und eine Zeitreise: Zwischen Sansibar und Lüderitz von Simon Riesche ist beides. Denn der Autor ist unterwegs auf geschichtlichen Spuren. Und er muss dabei öfter über den eigenen Schatten springen. Auf der einen Seite hat er sich von dem Buch eines deutschen Abenteurers, der 1907 versuchte, als Erster Afrika mit einem Auto zu durchqueren, inspirieren lassen. Auf der anderen Seite sind viele Auslassungen des noch von kolonialem Stolz geprägten Paul Graetz für den Reporter ein Ärgernis.
Ein Mann seiner Zeit
Graetz war ein Mann seiner Zeit mit Ansichten, die uns Heutigen unerträglich sind. Trotzdem hat sich für Simon Riesche seine Reise auf den Spuren dieses Mannes gelohnt. Und bei der Begegnung mit einem Graetz-Enthusiasten hat der Journalist auch noch einiges über das spätere Leben des Afrika-Fahrers erfahren, der vor so langer Zeit diesen „Ritt der Extreme“ gewagt hat.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Zwar ist Simon Riesche nicht wie Graetz mit dem Auto von Tansania nach Namibia gefahren, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln – im Bus, im Zug, mit der Fähre oder dem Sammeltaxi, zur Not auch per Anhalter. Aber er hat sich weitgehend an die Route gehalten, hat mit Mitreisenden Essen und Trinken geteilt und so manche Unbequemlichkeit in Kauf genommen. 22 Mitreisende in einem Neunsitzer zum Beispiel und einen wild gewordenen Fahrer.
Die Ansichten Ewiggestriger
In den Unterhaltungen mit den Menschen hat Simon Riesche viel erfahren – über das Leben jetzt und früher. Er hat viel Armut erlebt und große Gastfreundschaft und ist immer wieder mit dem Erbe des Kolonialismus konfrontiert worden. Nicht nur im Buch von Paul Graetz, der sich auch durch die schlimmsten Rückschläge nicht von seinem Unterfangen abhalten ließ. Dieses Durchhaltevermögen hat dem Autor wider Willen Bewunderung abgerungen. Anders als die Aussagen mancher Ewiggestriger, die immer noch alter Kolonialherrlichkeit nachtrauern und vom Völkermord der Deutschen an den Indigenen nichts wissen wollen.
Gedankenspiele im Schützenhaus
An der Bar einer Kneipe mit dem schönen Namen „Schützenhaus“ denkt sich Simon Riesche in die alte Zeit zurück: „Während Herero und Nama in Konzentrationslagern verhungerten, knobelten hier einst also Siedler und Schutztruppensoldaten um die Wette? So oder so ähnlich muss es wohl gewesen sein.“ Und heute? Wird hier Deutsch gesprochen, „sowohl hinterm als auch vorm Tresen. Geknobelt wird auch immer noch.“ Und die Ansichten scheinen sich kaum geändert zu haben. Schwer erträglich für den Journalisten Riesche.
Und dann ist er am Ziel, in Lüderitz, das sich anfühlt wie das Ende der Welt.
Info Simon Riesche. Zwischen Sansibar und Lüderitz, Knesebeck, 191 S., 22Euro, ISBN 987-3-95728-743-4
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