Nino Haratischwili neigt zu ausuferndem Erzählen. Das war schon bei ihrem Erfolgsroman „Das achte Leben (für Brilka) so, und es ist bei ihrem vierten Roman nicht anders. „Die Katze und der General“ ist eine ebenso opulente wie verwirrende Geschichte über Krieg und Frieden, Schuld und Sühne. Dass die Autorin, 1983 im georgischen Tblissi geboren und seit 2003 in Hamburg lebend, in ihren „eigenen Textbergen strauchelt“, wie die Zeit schrieb, erklärt sich teilweise aus dem Kulturkreis, aus dem sie stammt.
Pirouettenhafte Wandlungen
In Georgien wird gerne fabuliert, überbordend und oft auch überzeichnet. Und diese exzessive Fabulierfreude prägt auch Haratischwilis Erzähl-Duktus. Dass ihr manche Metapher misslingt, dass sie sich hin und wieder stilistisch verstolpert, ist vor diesem Hintergrund eher zweitrangig. Einige abgedroschene Phrasen allerdings hätte das Lektorat durchaus eliminieren können. Dass die Berge den Atem anhalten, die Wanduhr sich zur Zeitbombe wandelt und das Herz Marathon läuft – geschenkt. Schwieriger zu verkraften ist die Tatsache, dass die handelnden Figuren schier pirouettenhafte Wandlungen vollziehen.
Eine Tote wird zum Zentrum der Geschichte
Der Roman beginnt 1994 in einem kleinen tschetschenischen Bergdorf, wo die 17-jährigen Nura sich in ein anderes Leben träumt. Der Krieg macht den Träumen und Nuras Leben ein Ende. Russische Soldaten vergewaltigen und ermorden das junge Mädchen. Doch Nura lebt weiter – im Kopf des jungen Orlow, der zur Mittäterschaft gezwungen wurde. So macht Nino Haratischwili die Tote zum Mittelpunkt ihrer ausschweifenden, Haken schlagenden und teilweise schwer pathetischen Kriegsgeschichte.
Mit Geld zu mehr Gerechtigkeit
Orlow will seine Mittäter und sich selbst bestraft sehen, scheitert aber am russischen Militärgericht. Und dann – von einem Augenblick zum anderen – wandelt sich der eben noch von Reue geplagte Mann zum skrupellosen Kriegsgewinnler, dem scheinbar allmächtigen General. Mit Geld beruhigt er sein schlechtes Gewissen, mit Geld will er am Ende Gerechtigkeit kaufen, Wiedergutmachung üben. Mehr als 20 Jahre später ist er fast am Ziel. Auch dank der Schauspielerin Sesili, die sich „Katze“ nennt und die der ermordeten Nura gleicht wie eine Zwillingsschwester. Sie soll dem General helfen, die Täter von einst noch einmal zusammenzubringen.
Von der Schwierigkeit eines neuen Lebens
Haratischwili erzählt ihre Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven und in großen Zeitsprüngen. Sie berichtet von den seelischen Verwüstungen durch den Krieg aber auch vom schwierigen Ankommen in einem neuen Leben: „Immer weniger sprach man über seine ungeliebten Jobs, erzählte immer weniger von den Sorgen um die Kinder, die zwar auf den ersten Blick angepasster, westlicher, tüchtiger, ja: kapitalistischer wirkten, da die meisten hier groß geworden waren, die auch keine lustigen Akzente mehr hatten und auch keine unpassende Kleidung trugen, die aber in dieser Gesellschaft nicht so funktionierten, wie von ihren Eltern erträumt; als ob ein elterlicher Fluch auf ihnen lastete, der Fluch des Nieankommens.“
Info: Nino Haratischwili. „Die Katze und der General“, Frankfurter Verlagsanstalt, 766 S., 30 Euro.
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