Dieser Sörensen ist kein fernsehgerechter Ermittler. Zu depressiv, zu eigenbrötlerisch. Vielleicht macht gerade das den Erfolg des ersten Sörensen-Krimis aus. Nach „Sörensen hat Angst“ legt Sven Stricker mit „Sörensen fängt Feuer“ nach.
Eine blinde junge Frau im Nachthemd
Es ist kurz vor Weihnachten in Katenbüll, wo die Leute noch immer unter dem Missbrauchskandal leiden, den der neue Kriminalkommissar Sörensen aufgedeckt hatte. Und dann das: Eine junge Frau im Nachthemd läuft dem Gelegenheitsmusiker Ole Kellinghusen vors Auto. Jette ist nicht nur völlig abgemagert, sondern auch blind – und sie will nichts über ihre Herkunft verraten. Sörensen und seine Kollegin Jennifer nehmen die junge Frau in ihre Obhut.
Der Kommissar kämpft mit den Nerven
Nein, dies ist keine Neuauflage des Fritzl-Falls, in dem ein Vater seine Tochter im Keller eingesperrt und über Jahre vergewaltigt hat. Hier geht es um etwas anderes, um religiösen Wahn. Schnell überstürzen sich die Ereignisse. Ein Mann wird erstochen im Wohnzimmer des Hauses aufgefunden, aus dem Jette entkommen ist. Der Kommissar, noch von seinem ersten Fall gebeutelt und gerade dabei, die Psychopharmaka abzusetzen, kämpft mit den Nerven.
Eine Mauer des Schweigens
Die Menschen in der Umgebung des Mordhauses weigern sich, vor der Polizei Aussagen zu machen. Dann gibt es einen weiteren Toten, und Sörensen weiß, dass noch andere Menschen in Gefahr sind, wenn er nicht handelt. Denn er ermittelt in einer christlichen Sekte mit eigenen Regeln. Inzwischen hat er Aussteiger ausgemacht, hat die Mauer des Schweigens durchbrochen und ahnt, wohin religiöser Wahn führen kann.
„Du gibst die ganze Verantwortung ab,“ erzählt ihm eine Aussteigerin: „Für dich. Für die anderen. Für das Leben. Da ist einer, der ist stärker als du. Der macht das für dich. Du musst das nur noch begleiten. Loslassen. Abgeben. So funktioniert das. So funktionieren alle totalitären Systeme. Und das da in Katenbüll, das ist eins. Ein kleines, totalitäres, in sich geschlossenes System.“ – Und ein gefährliches für Menschen, die unbequeme Fragen stellen.
Glaubhafte Charaktere
Bei seinen Ermittlungen entdeckt Sörensen so manche Abgründe aber auch menschliche Größe, da wo er sie am wenigsten erwartet hätte. Und es gelingt ihm trotz aller Schrecken, nicht nur die eigenen Ängste in Zaum zu halten, sondern auch einen weiteren Mord zu verhindern.
Stricker ist wieder ein spannender Krimi gelungen – mit glaubhaften Charakteren und einem Kommissar, dem man etwas mehr als einen kleinen Flirt mit der Kollegin gerne gönnen würde.
Info: Sven Stricker. Sörensen fängt Feuer. rororo, 443 S., 11 Euro.
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