Der Sommer der Extreme

12. März 2025

Auch wenn die Temperaturen so waren wie in anderen Sommern auch war dieser Sommer doch nicht wie andere. Denn Oliver Hilmes erzählt in dem Buch „Ein Ende und ein Anfang“ davon, „wie der Sommer 45 die Welt veränderte“. Und er tut das, indem er den Alltag der Menschen neben die politischen Entscheidungen stellt, die unsere Welt veränderten. Indem er Politiker, Prominente und ganz normale Personen nebeneinander stellt. Da wird nichts gewichtet. Schließlich passieren die Dinge ja auch gleichzeitig. Es wird viel zitiert in diesem so spannenden wie vielstimmigen Zeit-Porträt. Dafür hat der Autor viel gelesen, wie die Anmerkungen im Anhang und die vielseitige Bibliographie beweisen.

Der reizende Herr Hitler

Er war ja nicht dabei, als Swetlana und Josef Stalin nach dem Sieg über Hitler-Deutschland telefonierten. Auch nicht, als Hermann Göring, „der letzte Renaissance-Mensch“, in Augsburg vernommen wurde und der US-Soldat Klaus Mann ihn fragte, ob Hitler tot sei. Er hat nicht gehört, wie Winifred Wagner über ihren Freund Hitler sagte „Er war reizend.“ Oder wie Heinrich Himmler sich in Lüneburg stellte. Und doch liest sich das alles wie ein Augen- und Ohrenzeugenbericht. Das ist Oliver Hilmes‘ große Kunst.

Die Zeitenwende

Er hetzt die Lesenden von Berlin nach Tokio, von München nach Paris, von Bayreuth nach Moskau. Dabei beschreibt er nichts weniger als eine Zeitenwende aus der Sicht der Sieger und der Besiegten. So wird begreifbar, was eigentlich unbegreiflich ist: Der Hunger in Ostpreußen. Die Gelage der Siegermächte. Die vergewaltigten Frauen. Das Elend der Kriegsgefangenen. Der Schwarzmarkt. Die ersten Gourmet-Restaurants. Die deutschen Intellektuellen im amerikanischen Exil und Billy Wilder in Berlin. Die Atombombe auf Hiroshima. Fast zu viel für einen einzigen Sommer.

Die Menschen

Meisterhaft rekonstruiert Oliver Hilmes aus Szenen und Schicksalen diese schicksalhaften Monate und macht Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen möglich. Da sind Margot und Adolf Friedländer, die den Holocaust überlebten und nach New York emigrierten. Da ist die fanatische Antisemitin Alma Mahler-Werfel, die ihren Mann Franz wohl nach dessen Tod noch taufte. Und da ist auch Konrad Adenauer, der sich als Kölner Oberbürgermeister weigert, Bäume fällen zu lassen.

Kennedys Prophezeiung

Man erfährt in diesem Buch so einiges Überraschende. Auch dass John F. Kennedy in diesem Sommer als Zeitungsreporter auf Spurensuche war und dabei auf dem Obersalzberg. Schwer beeindruckt vom Alpenpanorama hat der spätere amerikanische Präsident einen Satz gesagt, der aus heutiger Sicht fast prophetisch klingt: „Er (Hitler) war aus dem Stoff, aus dem Legenden sind.“

Info Oliver Hilmes. Eine Ende und ein Anfang, Siedler, 288 S., 25 Euro

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