Ode an die Natur

9. September 2024

Schon als Teenie hat Anais Barbeau-Lavalette davon geträumt, in der kanadischen Wildnis zu leben: „Im Tal dem Winter trotzen, mein eigenes Holz hacken, Brot backen und mit den Blumen sprechen, die treu jedes Jahr wiederkehren.“ Als die Covid-Pandemie die Welt heimsucht, kehrt sie mit Mann, drei Kindern und einer befreundeten vierköpfigen Familie an den Sehnsuchtsort ihrer Kindheit zurück – in eine marodes Haus, das sie geerbt hat und mit dem sie die schönsten Erinnerungen verbindet.

Einst und jetzt

Jetzt sind da die Kinder, die sich auf ihre Art die Natur zu eigen machen. Jetzt ist da die Pandemie, die wie ein Damoklesschwert über der Zukunft hängt und den Mann in die Depression stürzt. Jetzt ist da der japanische Maler und eine bisher nie gekannte Art der Liebe. Und dann ist da noch die Weiße Frau, so spooky, dass Gäste das Haus fluchtartig verlassen.

Erstickende Situation

Die Erzählerin kämpft dagegen an, sich einzugestehen, dass die ganze Situation sie zu ersticken droht: „Unser Zeit ist exakt kalkuliert, unsere Vorräte sind exakt kalkuliert, unser Tage sind exakt kalkuliert, unsere Wörter sind exakt kalkuliert, unsere Bewegungen sind exakt kalkuliert.“ Die Geschichten der Nachbarn drehen sich um den Tod – und um den Wald mit seinen grausamen Geheimnissen. Ihr Geheimnis ist der Waldmann, mit dem sie sich verlieren kann.

Kraft aus der Erinnerung

Ihre Kraft schöpft sie auch aus den Erinnerungen an die Kindheit, an die Menschen, die sie liebten und die sie lehrten, die Natur zu lesen. Davon profitiert die ganze Familie. Die Kinder, die den Geheimnissen der Tier- und Pflanzenwelt nachspüren, dem Leben und dem Sterben. Der Mann, der sich ins Leben zurück kämpft.

Zuflucht Wald

Der Wald ist ihre Zuflucht: „Ein Wald ohne gerade Wege ist ein glücklicher Wald. Er gedeiht prächtig, wenn man im Zickzack zwischen den Bäumen und toten Stümpfen laufen muss, in denen neues Leben gedeiht… Ein toter Baum trägt genauso zum Lauf des Lebens bei wie ein lebendiger. Das gilt auch für manche Menschen.“

Mensch und Natur

Anais Barbeau-Lavalette hat ein wunderbares, ehrliches, grausames, liebevolles Buch geschrieben – über Mensch und Natur und darüber, wie beides einander bedingt. „Sie und der Wald“ ist Nature Writing at its best. Bestürzend und beglückend und auf vielfältige Weise tröstlich.

Info Anais Barbeau-Lavalette. Sie und der Wald, Diogenes Tapir, 240 S., 24 Euro

 

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