So richtig sympathisch ist keine dieser Perserinnen, die Sanam Mahloudji in ihrem gleichnamigen Roman zu Wort kommen lässt. Allen voran die arrogante Schönheit Shirin, die davon ausgeht, sich in ihrem amerikanischen Exil so ziemlich alles erlauben zu können. Schließlich spielt Geld keine Rolle. Und dann ist da auch noch der große Name unter ihren Ahnen, ein berühmter Krieger. Im alten Persien jedenfalls gehörte ihre Familie zu den besten des Landes. Da können die Amerikaner nicht mithalten.
Zweierlei Leben
Ihre Nichte Bita sieht das alles ein bisschen differenzierter. Sie schämt sich, wenn ihre exaltierte Tante sich mal wieder daneben benimmt und ausgerechnet einem Polizisten eine Nummer für 50.000 Dollar anbietet – natürlich aus Spaß. Shirin kann sich einfach nicht vorstellen, dass auch sie angreifbar ist. Ihr Leben in Aspen mit Mann und Sohn ist so glamourös wie langweilig.
Und Bita kann sich nur über die naive Rücksichtslosigkeit ihrer Tante wundern: „Seit elf Jahren, seit 1994, flogen wir jetzt schon aus New York, L.A. und Houston hierher, als hätte es 1979 und die Islamische Revolution nie gegeben. Als gehörten wir immer noch den wichtigsten Familien im Iran an, als wären wir die Nachkommen mächtiger, uralter Dynastien, obwohl das hier Amerika war und sich kein Mensch für diese Dinge interessierte. Die Einheimischen hassten uns. Sie zeigten es nicht, aber es war so.“
Tanz auf dem Vulkan
Dass der Polizist Shirin wegen Prostitution angezeigt hat, könnte gravierende Folgen haben. Womöglich eine Ausweisung zurück in den Iran. Doch da hat sich mehr verändert, als Shirin ahnt. Ihre Mutter Elizabeth könnte viel erzählen – auch über die eigene Familie und deren Geheimnisse. Während die Frauen in Amerika ihrer Vorliebe für alles Extravagante frönen, wächst Shirins Tochter Neaz im Iran der Ajatollahs auf, wo Hinrichtungen Andersdenkender an der Tagesordnung sind und das wirkliche Leben im Untergrund stattfindet – eine Art Tanz auf dem Vulkan.
Die Lebenslüge
Am objektivsten ist Sima, Elizabeths andere Tochter und Bitas Mutter. Vielleicht auch nur deshalb, weil sie tot ist und alles von einer anderen Warte aus sehen kann. Sanan Mahloudji gibt jeder dieser Frauen eine ganz eigene Stimme und eine eigene Perspektive. Mal poetisch, mal rotzig, mal lakonisch, dann wieder voller Ironie. Es geht hin und her – zurück in die Kindheit Elizabeths und das Persien des Shah, in die Gegenwart zu Neaz und ihren heimlichen Partys im lebensfeindlichen Iran. Und immer wieder in die USA, wo Bita sich mit der Amerikanerin Patricia, genannt Patty, anfreundet. Sie soll Shirin vor Gericht vertreten.
Zur dieser Gerichtsverhandlung kommen Neaz und Elizabeth nach New York. Es wird kein Clash der Kulturen, aber Elizabeths lange gehütete Lebenslüge sorgt noch einmal für Aufregung. Geht es doch um Identität, um Tradition und damit auch um das eigene Selbstverständnis.
Ein Neuanfang?
„Was bin ich überhaupt für eine Perserin?“ fragt sich Bita, die im amerikanischen Exil groß geworden ist. Sie entscheidet sich schließlich dafür, den Ballast ihrer Herkunft und damit ihr reiches Erbe abzuwerfen, um ganz neu zu beginnen. Ob das gelingt, weiß sie selbst nicht: „War es auch ein Spiel für mich gewesen, mich von meinem Geld zu trennen? Konnte es deshalb niemand verstehen? Das Geld war Monopoly-Geld. Aber war auch das Leben nur eine Runde Monopoly?“
Wie Bita ist Sanam Mahloudji mit ihrer Familie aus dem Iran in die USA geflohen und hat Jura studiert. In ihrem Debütroman lässt sie ihre fünf Frauen das Amerika der Exilperser ebenso porträtieren wie den Iran der Mullahs. Das Buch ist wegen seiner Vielstimmigkeit und der Zeitsprünge nicht immer leicht zu lesen. Aber es lohnt sich, sich für diese tragikomischen Familiengeschichte aus Frauen-Sicht Zeit zu nehmen.
Info Sanam Mahloudji. Die Perserinnen, Piper 445 S., 24 Euro
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