Ums Moor ranken sich schaurige Sagen und gespenstische Geschichten. Doch die lange Zeit verachteten Moore sind nicht nur eine wichtige Lebensgrundlage für viele Tiere, sie sind auch ein gigantischer CO²-Speicher, effektiver noch als die Wälder. Die Pulitzer-Preisträgerin Annie Proulx („Schiffsmeldungen“, „Brokeback Mountain“, „Das grüne Akkordeon“) hat mit „Moorland“ eine bewegende Liebeserklärung an dieses gefährdete Ökosystem verfasst.
Die Zerstörung der Moore
Dabei geht sie weit zurück in die Urzeit, als die Moore noch weite Flächen unserer Erde bedeckten, ein Habitat für eine Tierwelt, so vielfältig, wie wir sie heute kaum mehr kennen. Doch mit der Sesshaftwerdung der Menschen begann der Feldzug gegen die Moore, ihre Geschichte ist die ihrer Zerstörung.
Denn sie waren auch Brutstätten für die Anopheles-Mücke, die Malaria überträgt. Vor allem aber versprach ihre Trockenlegung neue Acker- und Weideflächen. So ging eine ganze Kultur verloren – die der Moor-Menschen. Die Menschen hätten „das selbstheilende Gespinst des Lebens“ zerrissen, schreibt Annie Proulx.
Wasser als Gestaltenwandler
Immer wieder beschwört sie die Schönheit und Einmaligkeit der Feuchtgebiete, die Symbiose mit den dort lebenden Tieren und Pflanzen – Biber, Enten, Gänse, Aale, Fischadler, Rohrweihen, Sperlingsvögel, Kraniche, Frösche, Schmetterlinge, Libellen und „Myriaden von Pflanzen“: Sie alle sind zusammen mit den Mooren verschwunden. Wasser, schreibt Annie Proulx, „ist der ursprüngliche Gestaltenwandler“. Dieses Wasser, dass klar sein kann aber auch dunkel, das zu Eis erstarren und sich im Dampf verflüchtigen kann, ist die Grundlage der Moore. Wenn sie trocken gelegt werden, können sie ihre Rolle als CO²-Speicher nicht mehr erfüllen. Deshalb, mahnt die 88-Jährige, ist Umdenken überlebenswichtig.
Moorleichen und Varusschlacht
„Moorland“ ist ein Sachbuch, aber auch ein Buch voller Leidenschaft. Denn mit ihrem Buch will Annie Proulx die Faszination der Moore wieder bewusst machen. Auch, indem sie von den dunklen Seiten der Moore erzählt, von Moorleichen aus uralten Zeiten und von einer Schlacht, die wohl durch das Moor entschieden wurde, der Varusschlacht.
Und Annie Proulx kann wunderbar erzählen, ganz gleich ob sie von Indonesiens bedrohten Mangroven-Wäldern schreibt, vom von Brandrodung bedrohten südamerikanischen Pantanal oder von englischen Niedermooren. Ihr so wortgewaltiges Plädoyer für die Moore macht Lust, die letzten Feuchtbiotope im eigenen Land aufzuspüren.
Annie Proulx. Moorland. Aus dem Amerikanischen von Thomas Funkel, Luchterhand, 253 S., 24 Euro
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