Die Dolomiten gelten nicht nur dem Südtiroler Reinhold Messner als die schönsten Berge der Welt. Seit dem späten 18. Jahrhundert wurden die bleichen Berge von Geologen und Mineralogen vermessen und erforscht, von Bergsteigern und Bergsteigerinnen bestiegen und erklettert, von Schriftstellern und Reise-Autorinnen beschrieben, von Malern und Fotografen abgebildet. Ingrid Runggaldier hat in dem dicken Buch „Gezahnt wie der Kiefer eines Alligators“ Zitate berühmter und weniger berühmter Dolomiten-Reisender versammelt und nimmt die Lesenden mit auf eine Zeitreise zu den Anfängen der Dolomiten-Erschließung.
Bergsteiger und Schriftsteller
Dabei begegnen sie nicht nur dem Namensgeber Déodat Guy Sylvain Trancrède Gratet de Dolomieu oder berühmten Bergsteigern wie Paul Preuss, sondern auch Schriftstellern wie Arthur Schnitzler, Robert Musil oder Ernest Hemingway. Vor allem aber treffen sie unternehmungslustige Frauen wie die Britin Amelia Edwards, die ihre Erlebnisse in einem Buch über Wege in den Dolomiten beschrieb.
Mutige Gipfelstürmerinnern
Diese oft vernachlässigten „Lady travellers“ holt Ingrid Runggaldier aus ihrem Schattendasein. Und so liest man staunend, wie mutig sich schon vor 150 Jahren Frauen den Strapazen von Bergüberquerungen stellten – aus eigener Kraft, wie die Pionierin Jeanne Immink betonte: „Da weibliche Berggymnasten nach einer schwierigen Tour leider nur zu oft verleumdet werden, so möchte ich bemerken, dass ich an keiner Stelle wie ein Rucksack am Seil heraufbefördert worden bin und ohne besondere Hilfe von Seiten der Führer die Besteigung gemacht habe.“
National bewegt
Manche dieser kühnen Frauen waren zusammen mit ihren Männern unterwegs, andere allein oder mit Freundinnen. Auch die glühende Nationalsozialistin Leni Riefenstahl erlag der Faszination der Dolomitenspitzen. National bewegt wie sie waren auch viele Männer wie die Berglegende Luis Trenker, der Dolomitenkenner und Tourismusförderer Gunther Langes oder auch der Autor Hubert Mumelter, ein früher Kritiker des Tourismus, der von einer „rätischen Alpenrepublik“ träumte.
Krieg in den Dolomiten
In ihrem Buch unterschlägt die Autorin auch nicht die dunkle Seite der Dolomiten, den blutigen Gebirgskrieg zwischen Österreich-Ungarn und Italien und die Sprengung des Col di Lana, des „Blutbergs“. Bis weit in die 1960er-Jahre, schreibt sie „wurden die Dolomiten als Kriegsschauplatz betrachtet und nicht nur als Spielplatz für Kletterer und Wanderer“.
Ein Stück Zeitgeschichte
Auch wenn sich seither viel verändert hat, wenn im ehemals bitter armen Grödnertal der Reichtum eingekehrt ist und die Dolomitentürme erstiegen sind, bleibt ihre Faszination, die John Murray 1837 in seinem „Handbook for Travellers“ so beschrieb: „Sie(die Dolomiten) sind anders als alle anderen Berge und so wie hier nirgends in den Alpen zu sehen. Sie fesseln die Aufmerksamkeit wegen der Einzigartigkeit ihrer malerischen Formen, wegen ihrer scharfen Zacken und Zinnen, die manchmal in Spitzen und Obelisken emporragen und sich manch anderes Mal in gezackten Graten entlangziehen, gezahnt wie der Kiefer eines Alligators.“
Mit den Fotos und Stichen aus einer längst vergangenen Zeit gibt das Buch eine Ahnung davon, wie es in den Dolomiten vor dem Ansturm der Touristen aussah. Ein lesenswertes Stück Zeitgeschichte.
Info Ingrid Runggaldier. Gezahnt wie der Kiefer eines Alligators, Raetia, 441 S., 35 Euro
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