„Jeder Besuch an der Côte ist eine Lektion in philosophischer Lebenspraxis… Auf Juan-les-Pins trifft dieser Befund besonders zu….“ schreibt Lutz Hachmeister gegen Ende seines Buches über das „Hôtel Provençal“. Es beginnt mit dem Song von Peter Sarstedt „Where do you go to my lovely?“ und der Zeile „When you go on your summer vacation you go to Juan-les-Pins“ – über ein armes Mädchen, das in der leeren Welt des Jetset Karriere gemacht hat und ihren Sommerurlaub in Juan-les-Pins verbringt, einer „Art Resort für Körperkult, Fun und Games“ an der Côte d‘Azur.
Was vom Ruhm übrig bleibt
Im Zentrum dieses hedonistischen Hotspots: Das Hôtel Provençal. Hachmeister beschreibt dessen wechselhafte Geschichte und die seiner vielen Besitzer bis in die Gegenwart. Zurzeit steht von dem traditionsreichen Hotel, das zu seinen besten Zeiten alle Reichen, Schönen und auch die Möchtegern-Promis dieser Welt gesehen hat, nur noch ein Betonskelett.
French Connection
Am Anfang ermüdet das Name-Dropping etwas, denn der Autor widmet sich nicht nur dem seit mittlerweile 44 Jahren leer stehenden Hotel, er bezieht ganz Antibes mit ein, Cannes, Nizza und Saint Tropez. Und da tummelte und tummelt sich alles, was Rang und Namen hat: Milliardäre und Mafiosi, Schauspielerinnen und Scheichs, verarmte Künstler und Kokotten. French Connection im Hotel. Zwischendurch auch Flüchtlinge aus dem Dritten Reich, unter die sich Agenten des Vichy-Regimes mischten.
Der Place to be
Sie alle machten das ehemals idyllische Örtchen zu dem „Place to be“. Ein paar Namen gefällig: Ernest Hemingway, Pablo Picasso, Bert Brecht, Klaus und Erika Mann, Jean Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Karl Kraus, Alain Delon, Brigitte Bardot, Charlie Chaplin… Und dann wurde Juan-les-Pins auch noch mit seinem Jazz-Festival weltweit berühmt.
Schattenseiten der Sonnenküste
Doch der Erfolg hatte seine Schattenseiten – wie die ewige Sonne über der Côte. Hachmeister zitiert den britischen Reporter Harry James Greenwall: „Zur Hölle mit diesem Sonnenschein und dem ewig blauen Mittelmeer. Früher liebte ich es, vertändelte winters wie sommers meine Zeit an dieser Küste. Jetzt hasse, verabscheue und verachte ich sie, ich könnte auf sie spucken.“ Der Krieg hatte auch die Sonnenküste erreicht, Nazis infiltrierten die illustren Gesellschaften, Juden wurden denunziert und deportiert – und in Juan-les-Pins wurde weiter Champagner getrunken.
Spannend wie ein Thriller
Wie Hachmeister die Hintergründe durchforstet, wie er Zeitzeugen zitiert, über Morde und Selbstmorde berichtet und über politische Ränke, das bringt die Spannung eines Thrillers in das Sachbuch. Und sein Befund zur politischen Lage ist ebenso stichhaltig wie beunruhigend: „Die mehr oder weniger enge Verbindung zwischen lokalen Eliten und den Tonangebern aus der Unter- und Halbwelt an der Côte d‘Azur ist auffällig. Der Front National (FN) – heute Rassemblement National – der Le-Pen-Familie hat zwischen Marseille und Nizza seine eigentliche Heimstätte.“
Touristische Reminiszenz
Und Juan-les-Pins? „Das Künstlerdorf ist heute eine touristische Reminiszenz“, schreibt Hachmeister und das Hôtel Provençal wieder einmal Ziel von Immobilienspekulanten – und von „Dark Tourism“, Katastrophentouristen…
Info: Lutz Hachmeister. Hôtel Provençal , C. Bertelsmann,238 S., 22 Euro
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