Abenteuer Unsterblichkeit

20. Mai 2020

Qube passt in diese Zeit der Verschwörungstheorien fast so, als hätte Tom Hillenbrand beim Schreiben des Sci-Fi-Thriller geahnt, was da auf uns zukommt. Der ehemaligen Spiegel-Journalist und Krimi-Autor hat immer noch das Ohr am Puls der Zeit, und er schreibt Science Fiction, die nah an unserer Gegenwart ist. Das hat er mit seinem Bestseller „Hologrammatica“ bewiesen. Qube ist die Fortsetzung und spielt im Jahr 2091, drei Jahre nach dem ersten Buch.

Ein Virus hatte die Menschheit dezimiert

40 Jahre vorher hatte ein Virus die Erdbevölkerung dezimiert, der Klimawandel hatte dafür gesorgt, dass weite Teile der Welt unbewohnbar und Sibirien zum Migrationsziel wurde. Damals hatte sich die Menschheit gewaltsam gegen eine zu mächtige Künstliche Intelligenz gewehrt. Inzwischen beherrscht die Digitalität den Alltag: Hässliches wird digital übertüncht, die Reise zu den Sternen ist mühelos, menschliche Gehirne können als „Cogits“ digital nachgebildet und in künstliche Körper, „Gefäße“ genannt, hochgeladen werden.

Wechsel der Geschlechterrollen

Als „Quants“ können Menschen wie die UNO-Agentin Fran so ganz leicht von männlich zu weiblich switchen, was für den Job – Fran ist auf KI-Gefahrenabwehr spezialisiert – ziemlich nützlich ist. Und es scheint so, als hätte die allmächtige KI überlebt und würde sich wieder in das Leben der Menschheit einmischen… Neben Fran treten in Qube noch auf: ein nach Unsterblichkeit gierender und skrupelloser Milliardär, der Investigativjournalist Calvary Doyle, ein milliardenschwerer Wohltäter, eine Profi-Gamerin und ihr Freund, der mit Weltsimulationen spielt sowie die KI in Gestalt eines Mannes, der sich Nemo nennt.

Sagenhafte Intermezzos

In die Zukunftswelt eingewebt sind Szenen aus einer Fantasywelt, in der sich der gelbe und der blaue Zauberer bekriegen und ein Wettkampf in einem digitalen Spieleland, die als „Quest“, als ritterliches Abenteuer, angelegt ist. Dem Sieger winkt als Trophäe eine KI, die helfen soll, das „Descartes-Problem“ zu lösen, was Unsterblichkeit bedeuten könnte. Leichthändig hantiert Hillenbrand mit literarischen und philosophischen Versatzstücken und spricht spielerisch die große Frage des Menschseins an, frei nach Precht: Wer bin ich und wenn ja wie viele. Allerdings lässt sich Qube nicht so ganz einfach verschlingen wie ein süffiger Krimi, dazu sind die Fachbegriffe – es gibt ein eigenes Glossar – zu komplex und dazu ist der Wechsel der Geschlechterrollen zu verwirrend.

Hineingelesen…

…in die Welt von Qube:
„In der Ferne konnte Clifford eine Kirche mit Zwiebelturm ausmachen. Vermutlich hatte es hier früher eine Menge Landwirtschaft gegeben. Zwar sah man immer noch sattgrüne Wiesen und hier und da auch weiß-braunes Fleckvieh. Aber all das war hineinholographiert, virtuelle Vegetation und potemkinsche Kühe. Sobald man die Landschaft durch ein Paar Strippergoggles betrachtete, wurde der Verfall offenbar. Statt grünem Gras gab es nur gelbliche Büschel, Tiere sah man keine.“

Info: Tom Hillenbrand. Qube, Kiepenheuer & Witsch, 556 S, 12 Euro

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