Nein, ein Wiener Kochbuch hat Vincent Klink nicht verfasst, eher einen literarischen Spaziergang mit einigen Rezepten. Es geht in dem lesenswerten Buch auch nicht nur um Gast- und Kaffeehäuser – die wichtigsten sind im Anhang extra aufgeführt. Vincent Klink nimmt die Leser mit auf einen genussreichen Bummel durch Wien, lässt sie am Nebentisch Platz nehmen, wenn er mit seiner Frau parliert und sich über die berühmte Wiener Melange amüsiert, die dank Zuwanderung entstanden ist. Kann man seiner Meinung nach doch „Volk und Sitten“ am besten im Gasthaus studieren. Schließlich ersetze „ein bratendurftendes Gasthaus jeden Psychotherapeuten“.
Plaudernd von Gasthaus zu Gasthaus
Und so „hangelt“ sich das Paar schon auf dem Weg nach Wien von Gasthaus zu Gasthaus – vom Hofgut Hafnerleiten bei Bad Birnbach, „Fluchtort für gestresste Großstädter“ über das Schlosshotel Dürnstein in der Wachau bis zum Sacher. Schon die Anreise gibt dem belesenen Koch Gelegenheit für kurzweilige Geschichtslektionen und überraschende Gasthaus-Entdeckungen am Wegrand. Und erst recht in Wien findet Klink reichlich Gelegenheit zu plaudern – über das Sacher und den hauseigenen Lungenstrudel etwa, über die Habsburger und den Sisi-Mythos und natürlich über Wien, „die Kapitale des gekochten Fleisches“. Nebenbei wettert Klink gegen die „Erbsenzählerei“ in Deutschland, wo im Restaurant jeder eine eigene Rechnung haben will, und gegen arrogante (deutsche!) Touristen, denen der Anstand abhanden gekommen ist.
Wiener Schmankerln und Sehenswürdigkeiten
Die Leser begleiten Klink und Frau zu Wiener Sehenswürdigkeiten wie Burgtheater, Franziskanerplatz, Stephansdom , Naschmarkt und Hofburg, wo der Hofstaat „eine Feier des Lebens“ war, auch wenn er zum Teil „recht uneffektiv vor sich hinschimmelte“.
So richtig in die Küche geht‘s kurzfristig ab der Hälfte des Buches. Da erfahren die Leser dann alles Wissenswerte übers Wiener Schnitzel, das eigentlich seinen Ursprung in Indien hat, über Faschiertes, Böhmische Karpfen, Strudel, Buchteln oder Kaiserschmarren. Doch schon 40 Seiten später ist Klink auf der Ringstraße gelandet und muss wieder viel erzählen – über Billy Wilder, das mondäne Hotel Imperial, über Karl Kraus und Katharina Schratt, die Mätresse des Kaisers, über die Jazz-Ikone Nica de Koenigswarter oder den großen Jazzmusiker Joe Zawinul. Im Anhang gibt‘s dazu noch jede Menge bedeutende Wiener.
Ein Paradies trotz Schattenseiten
Aber auch die Schattenseiten der österreichischen Hauptstadt spricht Klink an, die Arisierung von Wiener Häusern und Palästen während der Nazi-Zeit, und genüsslich zitiert er Thomas Bernhard: „Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen, außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken.“ Und trotzdem ist für den schreibenden Koch dieses Buch wie ein „Annäherungsversuch ans Paradies“.
Info: Vincent Klink. Ein Bauch lustwandelt durch Wien, Ullstein, 381 S., 24 Euro, ISBN 978-3-550-20066-3
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