„Meine Hauptinspirationsquelle sind meine Mitmenschen“, sagt der in Bozen geborene Thriller-Autor Luca d‘Andrea, der wie kein anderer Südtiroler Abgründe auslotet. Auch in seinem neuen Roman „Der Wanderer“ konfrontiert der Erfolgsautor die Leser mit dörflicher Beschränktheit, Liebe, Hass und Wahnsinn. Es geht um Mütter und Töchter, Väter und Söhne, gestörte Familien und skrupellos zementierte Machtverhältnisse.
Alles andere als ein Bilderbuchsee
Vor allem aber geht es um eine junge Frau, die vor langer Zeit ermordet an einem abgelegenen Bergsee gefunden wurde und deren Tod nie aufgeklärt wurde. „Es war kein Bilderbuchsee. Kein Vergleich mit den Alpenseen, die der Traum eines jeden Fotografen waren. Der See von Kreuzwirt war alles andere als eine Augenweide. Er ähnelte eher einem Tümpel mit ausgefransten Rändern. Als wenn Gott an dem Tage, an dem er ihn schuf, in Eile gewesen wäre.“
Scheinbare Idylle
Ein Foto, das sie im Briefkasten findet, ruft der Tochter Sybille die tote Mutter ins Gedächtnis und lässt ihr keine Ruhe mehr. Zusammen mit dem Schriftsteller und damaligen Lokaljournalisten Tony versucht sie herauszufinden, was wirklich geschehen ist mit der „narrischen Erika“, wie die Dörfler die Frau nannten, die aus Tarotkarten die Zukunft las und die so gar nicht in die verschworene Gemeinschaft des nur scheinbar idyllischen Örtchens Kreuzwirt passte. „Kreuzwirt ist wie ein altes, böses Tier. Eins, das sich nur schwer an Veränderungen gewöhnt. Alles muss bleiben, wie es ist. Bis in alle Ewigkeit.“
Ein Geflecht aus Gier und Paranoia
Das Geflecht aus Lügen, Drogen, Dünkel, Gier, Paranoia und Eifersucht, auf das Sybille und Tony stoßen, ist auch für die Leser verwirrend. Ebenso wie die Vielzahl der Verdächtigen und deren mögliche Motive. Aber die Erzählweise von Luca d’Andrea entwickelt einen fast magischen Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann – bis hin zum fast katharsischen Ende, das ein bisschen an „Das Schweigen der Lämmer erinnert“. Nichts für zarte Nerven also!
Info: Luca d‘Andrea. Der Wanderer, Penguin, 384 S., 15 Euro,
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