Nicola Förg gönnt ihrer pensionierten Ermittlerin Irmi Mangold keinen Ruhestand. Im neuen Irmi-Mangold-Krimi mit dem bezeichnenden Titel „Verdammte Weiber“ will die rastlose Ex-Kommissarin nicht an den Unfalltod einer Frau glauben, mit der sie gerade erst Freundschaft geschlossen hat – ausgerechnet bei einem Skikurs. Die Geburt der Gruppe 47 Die ehemalige freie Journalistin Cordula, genannt Coci, ist im Eis des Grüntensees eingebrochen. Jede Hilfe kam zu spät. Hatte jemand Interesse an ihrem Tod? Mit ihrer impulsiven Art hat sich Coci einige Leute zu Feinden gemacht, womöglich auch mit ihren Recherchen zum Leben und Sterben der Ilse Schneider-Lengyel. Die in Vergessenheit geratene Schriftstellerin hatte 1947 in ihrem Haus am Bannwaldsee ein Literaten-Treffen organisiert, bei dem sich die Gruppe 47 gründete. Die ungewöhnliche Gastgeberin ging als „Hex‘ vom Bannwaldsee“ in die örtlichen Annalen ein; angeblich starb sie verarmt im psychiatrischen Krankenhaus. Hatte Coci mehr über diesen rätselhaften Tod herausgefunden? Vernachlässigte Künstlerinnen Irmis Neugier ist geweckt. Und weil die Beziehung zum Ex-Kollegen Hase buchstäblich auf Eis liegt, nimmt sie sich eine Recherche-Auszeit. Zusammen mit einem schottischen Literaturstudenten macht sie sich auf Spurensuche, was Nicola Förg reichlich Gelegenheit gibt, über die Ungerechtigkeit der Kunstwelt gegenüber Frauen zu schreiben. Die Schriftsteller der Gruppe 47 haben ihre…
Ich mag Joel Dicker, ich mag auch seine komplex aufgebauten, nicht immer logischen aber stets spannenden Romane. Deshalb hatte ich mich auch auf das neue Buch „Ein ungezähmtes Tier“ gefreut. Doch diesmal hat mich der Autor enttäuscht. Der Roman wirkt wie mit heißer Nadel gestrickt. Womöglich liegen die stilistischen Brüche an der Übersetzung. Aber auch den handelnden Personen fehlt die Tiefe, sie bleiben schemenhaft. Figuren, deren Existenz nur dazu dient, dem Autor dabei helfen, die Lesenden in die Irre zu führen. Verwirrende Zeitsprünge Das ist schließlich seine Spezialität. Mit großer Lust arbeitet er in seinen Romanen an einem Labyrinth, aus dem er erst am Ende den Ausweg zeigt. Auch in diesem Roman ist nichts wie es scheint. Was schwarz war, wird weiß und umgekehrt. Grautöne gibt es kaum. In verwirrenden Zeitsprüngen nähert Dicker sich einer Aufklärung, die aufmerksame Leserinnen schon im deutschen Titel finden könnten. Ein Raubüberfall als Leitmotiv Doch der Weg dahin ist noch weit. Auf über 400 Seiten hat der französische Autor reichlich Gelegenheit, falsche Fährten zu legen. Worum es geht? Vordergründig um einen spektakulären Raubüberfall in Genf mit zwei Beteiligten, der im Buch zum Leitmotiv wird. Vor allem aber geht es um zwei Paare, die zufällig über…
„Die Sehnsucht nach Leben“ will Andreas Altmann in seinem neuen Buch mit gesammelten Reportagen verhandeln. Aber natürlich spielt auch da die Sehnsucht nach Liebe mit hinein. Sein Buch erzählt von Frauen und Männern, die „ich beneide und bewundere“. Schließlich hält es der Globetrotter Altmann mit Soeur Emanuelle, die er eingangs zitiert: Le paradis, c‘est les autres – Das Paradies, das sind die anderen. Oben das Geld, unten das Volk Das Leben ist für ihn ein „einmaliges, einzigartiges Geschenk“ und die Liebe zum Leben die „Mutter aller Sehnsüchte“. Diese Sehnsucht stillt Andreas Altmann auf seinen vielen Reisen, bei denen er sich nicht davor scheut, in menschliche Abgründe zu tauchen. Seinem kritischen Auge entgehen auch nicht die sozialen Brüche in glamourösen Städten wie Acapulco: „Oben das Geld, unten das Volk“. Natürlich war es auch schon früher so, im niederländischen Batavia etwa, dem heutigen Jakarta, wo im Keller des ehemaligen Rathauses die Beherrschten vegetierten und drüber die Herrschenden sich in ihren Himmelbetten suhlten. Warnung vor Rassismus Es sind nicht immer Gentlemen, die Andreas Altmann zu seinen Mini-Porträts inspirieren. Es sind Emporkömmlinge wie Du Yuesheng, Mafiosi wie Al Capone, Glücksritter wie Teddy Stauffer. „Sittliche Entrüstung“ ist Altmanns Sache nicht, auch wenn es um Bordelle…
Takis Würger ist ein Wort-Zauberer. Dem ehemaligen Spiegel-Redakteur gelingt es in seinem neuen Roman „Für Polina“, das Lebenselixir Musik auch für Musikmuffel begreifbar zu machen – am Beispiel des jungen Hannes, der sich nach seiner verlorenen Liebe verzehrt: „Hannes spielte, und die Menschen hörten ihn, als hörten sie Licht. Die Besucher des kleinen italienischen Nudelrestaurants auf der anderen Straßenseite verstummten, erst verdutzt, dann ergriffen. Die Studentinnen auf dem Weg zum Philosophieseminar verlangsamten ihre Schritte, kamen näher und blieben stehen. Die Kellner vergaßen ihre Bestellungen, die Babys in ihren Kinderwagen lauschten. Es war keine Zauberei. Oder vielleicht doch. Wann war Musik jemals etwas anderes als Zauberei?“ Bescheidenes Dasein Für Hannes ist dieses Spiel tatsächlich Zauberei, denn es stellt sein Leben auf den Kopf. Nachdem seine alleinerziehende Mutter Fritzi von einem Baum erschlagen worden war, hatte er sich eingerichtet in einem bescheidenen Dasein ohne große Erwartungen. Der schmächtige Kerl, der früher gern am Klavier saß – am liebsten mit Polina – hatte sich als Klavierträger verdingt. Heimlich stimmte er auch die schönen – verstimmten – Flügel. Bosch, der ungleich kräftigere Trage-Partner, war ihm zum Freund geworden. Und die Ärztin Leonie hatte ihm ein Heim geboten. Leben ohne Musik Doch Hannes fühlte sich…
Das muss man sich erstmal trauen: Mit dem Rad von Kapstadt nach Wien fahren – ohne männliche Begleitung. Tanja Willers und Johanna Hochedlinger haben sich getraut. Aus ihrer 24.100 Kilometer langen Tour sind Blogbeiträge entstanden und daraus das Buch „2 Frauen, 2 Räder, 1 Zelt“. In kurzen, reichlich bebilderten Episoden und mit vielen nützlichen Tipps berichten die beiden Frauen von ihrem Abenteuer. Offenheit und Lernbereitschaft Für all jene, die daran denken, eine ähnliche Reise zu unternehmen, haben sie einen Rat: „Besonders der Versuch, unsere Umwelt nicht andauernd nach mitteleuropäischen Kriterien und Maßstäben zu bewerten und ein gewisses Maß an Offenheit und Lernbereitschaft haben uns beim Eintauchen in neue, oftmals befremdliche Lebenswelten geholfen.“ Befremdliche Einblicke Und Befremdliches haben sie immer wieder erlebt: Beim Einblick in die Kultur der Buren in Südafrika ebenso wie bei der spürbaren Distanz zwischen Schwarzen und Weißen. In der Hitze Namibias, bei der Großwildjagd und bei Begegnungen mit neugierigen Fans. Die beiden haben zwischen Löwen in Botswana gezeltet, in Schulen und verlassenen Hotels. Extreme Erlebnisse Sie haben Elefanteneintopf gegessen, Krokodilsteaks und Kuduwurst. Sie waren auf Schotter unterwegs und auf Sand, im Dschungel und auf Asphalt, sind Berge hoch und runter gefahren und durch brodelnde Städte geradelt. Sie…
Spannend und humorvoll sollte sein erster Solo-Krimi sein, sagt Volker Klüpfel bei der Vorstellung von „Wenn Ende gut, dann alles“ im Netz. Dass er beides kann hat der Allgäuer mit den erfolgreichen Kluftinger-Krimis bewiesen, die er zusammen mit seinem Schulfreund Michael Kobr verfasst hat. Nun also der erste Krimi im Alleingang mit zwei ziemlich schrägen Protagonisten. Im Wohnmobil-Chaos Tommi Mann, der Möchtegern-Schriftsteller, lebt im ausrangierten Wohnmobil seines Vaters, nachdem ihn Freundin Michelle rausgeworfen hat und träumt in seinem alltäglichen Chaos der Verflossenen hinterher. Neben den Liebesseufzern versucht er auch einen Thriller zu schreiben und produziert dabei jede Menge Müll. Nur gut, dass allwöchentlich Svetlana auftaucht, um so etwas wie Ordnung in Tommis mobiles Heim und – soweit wie möglich – auch in sein Leben zu bringen. Patente Putzfrau Im Gegensatz zu Tommi ist die Ukrainerin gut organisiert, schlau ist sie auch und überaus neugierig. Und so stolpern die beiden in ihren ersten Fall, der sie von Anfang an zu überfordern droht. Tommi, anfangs angefixt von der Idee, selbst in einen Kriminalfall verwickelt zu sein, würde zwischendurch am liebsten aufgeben. Das aber kommt für die patente Putzfrau nicht infrage. Zumal es um ein hilfloses Kind geht, das sie am Waldrand aufgegabelt…
Toyboy, das ist Levin, der seinen Körper verkauft – als Escort-Boy, in Pornos und in schlecht gemachten Camshows. Für etwas anderes hat er sich nie interessiert, ein normaler Job ist ihm zu öde. Eigentlich wollte er in LA Model werden, aber da gab es zu viel Konkurrenz. Jetzt ist er wieder zurück – und findet seinen Bruder Gregor in einer ziemlich verzweifelten Lage. Ein gefährlicher Plan Der Junge scheint verloren in seiner Einsamkeit. Aus seinem Kinderzimmer heraus befehligt er online Soldaten und datet eine Frau, die nichts anderes von ihm will als Geld. Levin, der selbst in Problemen feststeckt und darüber nachdenkt, „wie einfach das Leben wäre, könnte man es mit Faustschlägen traktieren“, will das brüderliche Elend nicht mit ansehen. Er schmiedet einen waghalsigen Racheplan, der nicht funktionieren kann. Am Ende bringt er damit nicht nur seine verbliebenen Freunde, sondern auch den Bruder in Gefahr. Der vergessene Bruder Dabei will er ihm nur helfen, will wieder der Beschützer sein, der er einmal war: „Ich erinnere mich an das sinnstiftende Gefühl, für Gregor zu sorgen und auf ihn aufzupassen. Er hat mich vergöttert, und ich habe ihn beschützt.“ Doch irgendwann hat er das alles hinter sich gelassen, es „einfach vergessen, so…
Poetisch und empathisch erzählt die irische Autorin und Booker-Preisträgerin Anne Enright in ihrem neuen Roman „Vogelkind“ von Mutter und Tochter, die um ihre Selbstermächtigung ringen. Dabei wechselt Enright fast sprunghaft die Perspektiven zwischen der Tochter Nell, ihrer Mutter Carmel und deren Vater Phil. Der später mit seinen Gedichten berühmt gewordene Ire hat seine Familie verlassen, als seine Frau an Krebs erkrankte. Im Stich gelassen Kein Wunder also, dass die Beziehung kompliziert ist. Carmel ist das Vogelkind aus dem gleichnamigen Roman und zugleich eine Figur aus einem Gedicht des Vaters: „Das Vogelkind/Sah heraus/Aus der Höhle/Meiner Faust/Und hielt still“. Die Kleine ist Phils Liebling, auch wenn er schon im Gedicht den Abschied vorwegnimmt: „Der Rückstoß/Kaum zu spüren/Als sie aufstieg/Weg von mir“. Doch für Carmel war es der Vater, der sie im Stich gelassen hat. Und so fühlt sie sich auch als Erwachsene, unfähig für Beziehungen. Die scheinbar flatterhafte Tochter Nell scheint diese Unfähigkeit geerbt zu haben und sucht sich die falschen Männer aus. Komplexes Beziehungsgeflecht Mit dem Wechsel an Perspektiven, die sie auch stilistisch unterschiedlich gestaltet, lädt Anne Enright die Lesenden dazu ein, die Lebensentwürfe der Protagonisten zu vergleichen. Nell, die ihr Geld mit dem Schreiben von Reisetexten über Länder verdient, die…
„Es geht mir gut“, sagt Kathleen zu ihrem Mann Virgil, als er sich mit den Söhnen bereit zum Kirchgang macht. So harmlos fängt das an, was die Familie an den Abgrund führen wird. Knappe 160 Seiten braucht Jessica Anthony, um eine Ehe zu dekonstruieren. Weibliche Selbstversicherung „Es geht mir gut“ ist auch der Titel dieses Romans über einen verblüffenden Akt weiblicher Selbstversicherung. Kathleen und Virgil leben in einer scheinbar glücklichen Partnerschaft. Wie die meisten Frauen in ihrer Umgebung hat Kathleen sich ihrem Mann untergeordnet, hat ihre sportliche Laufbahn beendet, sich der Familie gewidmet. Auch die frühere Liebelei mit dem Kommilitonen Billy hat sie verdrängt, um mit dem „unkomplizierten“ Virgil eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Doch so recht hat das nie geklappt. Frust in der Ehe Wohl auch nicht für Virgil, der sich für den Frust in der Ehe mit zahlreichen Seitensprüngen entschädigt, während Kathleen mit Billy an die alten Zeiten anknüpft: „Keiner von beiden machte eine Bemerkung zu ihrer Heirat, aber beide saßen da und wussten, dass sie schlicht und einfach nichts bedeutete.“ Katastrophales Fazit All das wird Kathleen an jenem Sonntag klar, an dem sie sich weigert, mit in die Kirche zu gehen. Statt dessen fühlt sie sich magisch angezogen…
Wem gehört unsere Welt? Clara Arnaud gibt in ihrem Roman „Im Tal der Bärin“ eine zwiespältige Antwort. Tatsächlich ist es kompliziert. Können sich Wildtiere und Menschen das Land teilen? Bären und Wölfe, die bei uns wieder angesiedelt wurden, sorgen für Konflikte. Auch in den Pyrenäen, wo Arnauds grandioser Roman spielt. Jägern und Hirten ist die eindrucksvolle Bärin ein Dorn im Auge, auch weil sie immer wieder Schafe reißt. Naturforscher sehen das anders. Der Graben zwischen den beiden Seiten ist kaum zu überbrücken. Die Natur als Seelenlandschaft Das muss auch Alma erkennen, die in einem abgelegenen Ort in den Pyrenäen darüber forscht, wie Bären und Menschen zusammenleben könnten. Wobei die ruhe- und heimatlose Wissenschaftlerin in der wilden Natur auch zu sich selbst finden will. „Um sie herum spürte sie den lebendigen Wald, die atmenden Berge und begriff, dass sie hier eine allumfassende Einsamkeit gefunden hatte.“ In dieser Einsamkeit fühlt sie sich der Bärin ganz nah. Alles andere als Schäferidylle Für den Schäfer Gaspard, der nach Studium und Berufserfahrung in der Heimat nach dem Sinn des Lebens sucht, sind solche Gefühle seit der Tragödie vom Vorjahr schwierig. Damals hat die Bärin seine Schafe angegriffen, worauf viele in Panik in den Tod stürzten….