„Ich liebe ihn sehr“, schreibt Helga Schubert gleich am Anfang zu ihrem „Stundenbuch der Liebe“ mit dem Titel „Der heutige Tag“. Der, den sie sehr liebt, ist ein pflegebedürftiger 96-Jähriger am Rand der Demenz. 66 Jahre kennt sie ihn. 17 ist sie, als sie ihn, den Uni-Assistenten, zum ersten Mal sieht. Erst Jahre später – da ist sie mit einem anderen verheiratet – eröffnet ihr dieser Mann „ein Tor in eine Welt vor meinem eigenen Leben“. Der bewunderte Professor Er ist Professor und hat „Schlag bei den Frauen“ und sie bewundert ihn, wird seine Geliebte und später – nach ihrer und seiner Scheidung – seine Frau. Derden nennt sie ihn und schreibt, dass er ein Teil von ihr ist – von Anfang an und erst recht als Patient, den sie mit nicht nachlassender Geduld pflegt. Und doch kommt der Tag, an dem er sie nicht erkennt, und es gibt Tage voller Verzweiflung: „Wenn ich Erbarmen mit Derden habe, dann ist die Traurigkeit weich. Und manchmal weine ich um uns beide.“ Dann wieder fragt Derden ganz der alte Egoist: „Was mache ich eigentlich, wenn du tot umfällst?“ Die zweite Kindheit Helga Schubert nimmt es ihm nicht übel, sie weiß, auch sie…
Nein, dieses Paar ist nicht „Das Liebespaar des Jahrhunderts“, wie Julia Schoch im Titel vorgibt. Es ist ein ganz normales Paar mit einer ganz normalen Geschichte. Aber wie die 1974 in Bad Saarow geborene Autorin diese Geschichte erzählt, ist schon etwas Besonderes. Auch, weil vieles, was sie schreibt, so nachvollziehbar ist, so normal. Überschwang der Liebe Julia Schoch spürt in dieser Autofiktion einer Liebe nach, die groß begann und sich im Alltag verliert. 30 Jahre sind die beiden zusammen, und alles beginnt ganz zauberhaft: „Ich liebte dich sofort“. Er ist anders als die anderen, liebt es elegant, will herausstechen. Und sie himmelt ihn an, schneidet sich die Haare ab, um ihm ähnlich zu sein. Denn so ganz kann sie es nicht fassen, dass sie diesen Mann getroffen hat. „Du und ich – das Liebespaar des Jahrhunderts“. Geteilte Erinnerungen Beide kommen aus Ostdeutschland, teilen viele Erinnerungen und brauchen dafür keine Worte. Nach dem Mauerfall nutzen sie die Gunst der Stunde, studieren im Ausland, sammeln jeder für sich neue Erfahrungen. Doch trotz so mancher leuchtender Momente schleicht sich die Ernüchterung ein. Nüchterne Bilanz in Zahlen Sie werden älter und Eltern. Der Alltag verschlingt die Zeit, sie sprechen kaum mehr mit einander und…
Die Curves Bildbände machen mit kurvenreichen Strecken ihrem Namen alle Ehre. Nun waren die Autoren in Deutschland unterwegs. Auf der beigelegten Karte sieht die Strecke schon recht kurvig aus, vor allem am Anfang und am Ende. Von Freistaat zu Freistaat führt sie, von Bayern nach Sachsen – immer an der grünen Grenze entlang, von München bis Dresden, von der Isar bis an die Elbe. Genüssliche Schleifen Schon kurz nach München beginnen „die genüsslichen Schleifen“ im hügeligen Voralpenland. Nächste Etappe ist Passau, eine andere Welt. Flachwellig geht es weiter in den Norden bis nach Hof, wo die fahrenden Autoren eine Ehrenrunde einlegen – durch den Thüringer Wald. Grenzland-Erfahrungen sind auch auf der Weiterfahrt nach Dresden drin. Und dann gönnen sich die Leute von Curves noch das Erlebnis der Porsche-Rennstrecke in Leipzig. Nichts für Automuffel Die Curves Bücher sind nichts für Automuffel. Aber man muss auch kein Porsche-Fan sein, um Gefallen an ihnen zu finden. Das liegt am „Blumenstrauß von Geschichten“ ebenso wie an den großformatigen Fotos, die dazu einladen, auch Deutschlands unbekannten Seiten mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Originelle Texte Die Texte sind so originell, dass man sie immer wieder gerne liest. Da schwebt etwa am Münchner Gärtnerplatz „Freddy Mercurys Geist im…
Ein Buch wie ein Axthieb: Ehrlich bis zur Selbstaufgabe schildert Matt Rowland Hill in „Erbsünde“ sein Leben mit der Drogensucht. Und man wundert sich, dass dieser Mann trotz allem 39 Jahre alt werden konnte. Elterliche Hölle Der Autor wird als Sohn eines Baptistenpastors und seiner pietistischen Frau in Südwales geboren und erlebt früh den moralischen Druck der Kirche, der ihn allerdings nicht von seiner Lieblingsbeschäftigung abhält: Der Junge masturbiert gern und ausgiebig – eine Art Flucht aus der elterlichen Hölle, in der sich Vater und Mutter Bibelsprüche um die Ohren hauen. Traumatischer Bruch Erst in der Jugend macht der Junge den nächsten Schritt, folgt seinen intellektuellen Zweifeln und bricht mit Eltern und Religion. Aber die Prägung seiner Kindheit klebt an ihm wie die Erbsünde an den Gläubigen. Hill taumelt von einem Extrem ins andere. Er entdeckt die Welt der Drogen und verfällt ihr wie seine Familie der Bibel verfallen war. Spirale von Sucht und Abstürzen Für den begabten jungen Mann beginnt eine Spirale von Drogenträumen, Traumata, Entzugs-Erfahrungen und Chaos. Mal schafft er es zwei Jahre, sich von Drogen fern zu halten. Mal ist er vier Jahre clean, um dann doch einen Rückfall zu erleben, schlimmer noch als alle anderen. Es…
Das Märchenschloss Neuschwanstein kennt man in der ganzen Welt, ebenso den Englischen Garten und die Alte Pinakothek in München. Doch die weltbekannten Sehenswürdigkeiten sind allzu oft überlaufen. Wie gut, dass es dazu auch Alternativen gibt. Der Franke Jörg Martin Dauscher hat zu 33 bayerischen Traumzielen 100 alternative Ausflugsideen gefunden. Zu Schloss Neuschwanstein etwa die Burg Prunn auf einem Kalkfelsen über der Altmühl oder – ganz nah – das Hohe Schloss in Füssen. Erlebnis ohne Drängeln Statt der Alten Pinakothek schlägt Dauscher zum Beispiel einen Besuch im Augsburger Schaezlerpalais vor, wo man „Auge in Auge mit Dürer, Cranach, Holbein und van Dyck“ stehen kann, „ohne dass man drängeln muss“. Als genauso schöne Alternativen zum Englischen Garten nennt Jörg Martin Dauscher den Kurpark Sonthofen, den Hofgarten Bayreuth und den Park Schönbusch bei Aschaffenburg. Märzenbecherwald und Bürgerpark Natürlich sind all diese Ziele anders als das Original, aber sie bieten auf ihre Art ähnlich viel und sind relativ unbekannt. Das gilt sicher für den Märzenbecherwald bei Ettenstatt in Mittelfranken, der in der Gegend auch Märchenwald heißt. Wobei die Märzenbecherblüte vergänglich ist, anders als die ganzjährige Blütenpracht in Lindaus Bürgerpark, dem Original. Alatsee statt Königssee Unter den bayerischen Seen nimmt der Königssee eine Ausnahmestellung ein….
Reisen Reisen ist das Projekt von zwei Reiseprofis, die nach einem erfolgreichen Podcast auch ein gemeinsames Buch machen wollten: Michael Dietz und Jochen Schliemann Lust wollen mit Reisen Reisen auf Perspektivenwechsel machen und darauf, die Welt mit allen Sinnen zu erleben. Beitragen dazu sollen Geschichten übe die Welt und ihre Wunder genauso wie überraschende Einblicke in fremde Kulturen. Neue Wege auf Reisen Das Motto der beiden Vielreisenden „Urlaub kann jeder. Reisen muss man reisen“ soll Mut auf eigene Entdeckungen machen, neue Wege zu gehen, sich auszuprobieren. Da schreibt Michael Dietz über „die Magie des ersten Mals“ und Jochen Schliemann erinnert sich an die kuriose Problematik, in einem japanischen Hotel einen Löffel auszuleihen. Man liest über die Freuden und Nöte des Alleinreisens und davon, dass auch im Paradies Gefahren lauern können und vom Scheitern ambitionierter Reise-Hoffnungen. Rapper und Bloggerin Die beiden Vielreisenden sind geübt darin, die Welt in Worte zu fassen. Aber sie lassen auch Gastautoren zu Wort kommen. Reisebloggerin Annika Ziehen etwa fordert Freiheit für egoistische Ziele beim Alleinreisen. Autorin Melanie Raabe berichtet über Reise-Erfahrungen als schwarze Person, und der Rapper Marteria gibt zu bedenken, dass man sich die Schönheit des Reisens hin und wieder auch hart erarbeiten muss. Mut…
Adrian Geiges hat leicht reden, wenn er empfiehlt „Öfter mal die Welt wechseln“. Der Mann ist Journalist, spricht mehrere Sprachen und leidet weder unter Kontaktscheu noch allzu großer Ängstlichkeit. Seine Abenteuerlust hat ihn rund um die Welt geführt, wobei meist die Auftraggeber seine Reisen und Auslandsaufenthalte bezahlt haben. Doch Geiges ist überzeugt, dass auch Berufstätige in anderen Branchen seinem Beispiel folgen könnten, wenn sie die Angst vor dem Unbekannten überwinden würden. Für sie ist sein Buch gedacht. Großer Erfahrungsschatz Es will diejenigen ermutigen, die fremde und ferne Länder kennenlernen wollen, ohne zu Hause alle Zelt abzubrechen. Adrian Geiges kann aus einem langjährigen und reichlichen Erfahrungsschatz berichten. Das heißt allerdings auch, dass manche dieser Erfahrungen heute nicht mehr nachvollziehbar sind. Etwa die Studienzeit in der damaligen DDR. Sie taugt allerdings dazu, zu zeigen, wie unerschrocken und anpassungsfähig Geiges sich anderen, ja gegensätzlichen, Welten nähert. Glasnost in Moskau Das Motiv „Buche schlechte Erlebnisse als positive Erfahrungen ab“ begleitet ihn auch bei so manchen anderen Reisen. Bei der Auswahl der Ziele schont sich Adrian Geiges nicht: Es sind keineswegs touristische Hotspots, die er sich aussucht. Wichtiger ist es dem Journalisten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Zum Beispiel in Moskau, als…